Ein Nachruf auf Peter Falk gerät unweigerlich zum Nachruf auf seine bekannteste Figur. 69 Mal spielte er zwischen 1968 und 2003 den Lieutenant Columbo, hierzulande mit dem Titel „Inspektor“ versehen. Der ewig zerknitterte Trenchcoat und das abgegriffene Notizbuch gehörten genauso zur Standardausrüstung der Figur wie der Dialogsatz „Eine Sache wäre da noch, Sir!“ (oder „Nur noch eine Sache“), mit der Columbo nach eigentlich bereits abgeschlossener Befragung zur Sache kam – wie immer mit freundlichem Lächeln und einer entschuldigenden Handbewegung. Gesicht und Gestalt Peter Falks wurden eins mit der Figur, er bekam schon nach der ersten Staffel 1971 den „Emmy“-Fernsehpreis, dem diverse weitere Emmys und Golden Globes folgen sollten.
Nahezu alle Fälle waren nach demselben Muster aufgebaut: Gleich zu Beginn geschieht ein raffinierter Mord, der Täter ist dem Zuschauer bekannt, und anschließend muss der vermeintlich trottelige und verpeilte Columbo mit unbestechlicher Logik den smarten und reichen Verbrecher in die Enge treiben und überführen. Dieses „howcatchem“-System (anstelle des herkömmlichen „whodunit“) wurde übrigens auch bei den ersten „Derrick“-Folgen Anfang der Siebziger Jahre kopiert, kam aber bei Kritik und Publikum überhaupt nicht an. Der bessere Trenchcoat-Detektiv für die besseren Kreise war eben eindeutig Columbo, und der Schauplatz Los Angeles bot deutlich mehr Abwechslung als Münchener Villenviertel. Zudem erwiesen sich Columbos Gegenspieler immer als ebenbürtige Kaliber und wurden häufig mit prominenten Stars wie Ray Milland, Leonard Nimoy, Martin Landau, George Hamilton und einmal Johnny Cash („Schwanengesang“, 1974) besetzt. Das Duell auf Augenhöhe funktionierte meist trefflich, weil die Kriminalstoffe gut ausgearbeitet waren und ein stabiles Gerüst für Falks unverwechselbare Präsenz lieferten.
Über Columbo gerät leicht in Vergessenheit, dass Peter Falk bereits zehn Jahre vor seinem ersten Auftritt als Fernsehdetektiv eine erfolgreiche Karriere als wandlungsfähiger Theater- und Filmschauspieler gestartet hatte. Zu seinen bekanntesten Filmen zählen Frank Capras Gangstermärchen „Die unteren Zehntausend“ („Pocketful of Miracles“, 1961), „Sieben gegen Chicago“ („Robin and the 7 Hoods“, in dem er 1964 den Gegenspieler von Frank Sinatras „Rat Pack“ gab) und Blake Edwards’ „Das große Rennen rund um die Welt“ („The Great Race“,1965). Zudem spielte er später Gastrollen in Wim Wenders’ „Der Himmel über Berlin“ (1987) und „In weiter Ferne, so nah“ (1993).
Kontrovers diskutiert wurden vor allem „Ehemänner“ („Husbands“, 1970) und „Eine Frau unter Einfluss“ („A Woman Under the Influence“, 1974), beide von seinem guten Freund John Cassavetes inszeniert. Die Milieus, in dem die Filme spielen, bilden einen deutlichen Kontrast zum Oberschichten-L.A. der Columbo-Krimis, ebenso wie Cassavetes improvisierter, am Dokumentarfilm angelehnter Regiestil. Während „Ehemänner“ die Midlife Crisis dreier Mittelschichtsmänner (Falk, Cassavetes und Ben Gazzara) unter die Lupe nimmt, blickt der zweieinhalbstündige „Eine Frau unter Einfluss“ hinter die Fassade einer typischen amerikanischen Durchschnittsfamilie und beleuchtet eindringlich die Kommunikationsprobleme zwischen Bauarbeiter Nick (Falk) und seiner psychisch labilen Frau Mabel (Gena Rowlands). Heute gilt „Eine Frau unter Einfluss“ als eines der wichtigsten Werke des amerikanischen Independent-Kinos.
Am 23. Juni ist Peter Falk im Alter von 83 Jahren gestorben. 2007 war bei ihm Demenz und Alzheimer diagnostiziert worden, zwei Jahre später wurde seine Ehefrau zum Vormund bestellt. Wie einer seiner Ärzte berichtete, konnte er sich da schon nicht mehr an die Figur des Lieutenant Columbo erinnern.
(Alle 8 Staffeln der Serie "Columbo" sind bei Universal Pictures auf DVD erschienen.)
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