Wenn im März die Bauern beginnen, die Felder zu pflügen und hier und da noch ein paar Steine vom Acker räumen, dann legen die Theater ihren Zuschauern auch mächtige Felsen auf den Weg zum kulturellen Wohlbefinden. Leichte Kost scheint trotz frischer Frühkartoffeln nicht angesagt zu sein. Christoph Roos inszeniert in Essen die Faust-Tragödie erster und zweiter Teil von Johann Wolfgang von Goethe. Zwei Mammutabende, die in letzter Zeit wieder häufiger zusammengelegt werden, mit Streichern an allen Ecken und Enden. Roos zeigt den Global Player Faust, der an der Seite seines Alter Ego Mephisto weltweit seine Projekte durchzieht, dabei nicht nur bei der lieben Grete Grenzen und Grundsätze über den großen Haufen wirft, den der Bösewicht ja so gerne freiwillig immer weiter auftürmt.
Ein Meister des Vergessens wie Faust sucht eben neue Herausforderungen. Im zweiten Teil der Tragödie wird er zum Kriegsgewinner und erhält zum Dank ein Stück Land für die Utopie einer freien Gesellschaft. Zufrieden oder gar glücklich macht ihn das nicht, auch dieses Großprojekt scheitert, Faust erblindet und Mephisto fordert seinen Lohn, den auch wir wohl zahlen werden für eine bis zur Raserei beschleunigte Gesellschaft.
„To be or not to be?“ möchte man da noch fragen, bevor alles den Bach hinunter geht. Das allgegenwärtige Zitat stammt aus William Shakespeares „Hamlet“, einem der größten Dramen der Theatergeschichte, das immer wieder neu erzählt und interpretiert werden muss. Auch am Schauspielhaus Bochum mit seiner Shakespeare-Tradition. Inszenieren wird es der polnische Regisseur Jan Klata, und es ist das erste Stück, das er zum zweiten Mal inszeniert. Den ersten „Hamlet“ hat er in der ehemaligen Leninwerft in Danzig aufgeführt. Wo unter Lech Walesa die Revolution gegen die kommunistischen Herrscher Polens begann, die schließlich zum politischen Umbruch führte. Jan Klata hat die gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen Polens selbst miterlebt, weshalb er in seinen Stücken immer wieder zu verorten sucht, was mit einer Gesellschaft passiert, die sich dem Kapitalismus geöffnet hat.
Wem das alles im Märzen zu schwer erscheint und sich lieber über täglich steigende Benzinpreise schwarz ärgert, der suche eine Antwort im hoch verschuldeten Oberhausen, wo nicht nur der deutsch-griechische Regisseur Sarantos Zervoulakos den anarchisch-subversiven Umgang mit endlosen Krisen kennt, allerdings aus seiner griechischen Familie. Er inszeniert am Theater die Farce „Bezahlt wird nicht!“ des italienischen Nobelpreisträgers Dario Fo vor dem Hintergrund griechisch-Oberhausener Verhältnisse. Das nur scheinbar subversive Stück beginnt, als eine Gruppe von aufgebrachten Hausfrauen sich weigert, die ständigen Preiserhöhungen im Supermarkt hinzunehmen. Sie raffen so viele Lebensmittel zusammen, wie sie tragen können, und werfen dem überforderten Kassierer ihr Kleingeld hin. „Bezahlt wird nicht!“ ist ihr Schlachtruf. „Für das Volk“, so Fo, „war Theater immer schon das prinzipielle Mittel zum Ausdruck, zur Kommunikation, aber auch zur Provokation und Agitation von Ideen.“
„Faust I& II“ I Premiere: 2.3. I Grillo Theater Essen I 0201 812 22 00
„Hamlet“ I Premiere: 9. 3. I Schauspielhaus Bochum I 0234 33 33 55 55
„Bezahlt wird nicht!“ I Premiere: 22. 3. I Theater Oberhausen I 0208 857 81 84
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