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Frau und Mann passt nicht, oder doch?

04. Januar 2011

Mozarts großes Welttheater „Die Zauberflöte“ - Opernzeit 01/11

Das alte Lied: Die Eltern haben sich getrennt, nun streiten beide Parteien erbittert um das Sorgerecht für das Kind. Verleumdungen und Lügen sind an der Tagesordnung. Wer ist der Gute, wer ist der Böse? Natürlich immer der andere! Die Fronten verhärten sich, bis auch noch das Kind gegen den anderen aufgehetzt wird. Am Ende bleiben alle auf der Strecke. Was hat das skizzierte Scheidungsdrama nun mit Mozarts Zauberflöte zu tun? – Es lohnt sich, einen Blick hinter die Kulissen des Märchenstoffes zu werfen.
Pamina lebt getrennt von ihrer Mutter bei ihrem Vormund Sarastro, der sie im Auftrag ihres verstorbenen Vaters entführen ließ. Sie wird in einer reinen Männergesellschaft großgezogen, einer Priesterkaste, die sich freimaurerischen Idealen verschrieben hat. Pamina sehnt sich nach ihrer Mutter zurück, der Königin der Nacht, die jedoch mehr will als das eigene Kind: Sie will an die Macht und fordert den siebenfachen Sonnenkreis zurück, den ihr Mann nach der Trennung für sich in Anspruch nahm. Beide Parteien schotten sich gegeneinander ab, mit dem anderen Geschlecht will man nichts mehr zu tun haben – „ein Weib tut wenig, plaudert viel“ sagen die einen, die anderen verteufeln den Mann als einen „mächtigen bösen Dämon“. Männliches und Weibliches fallen auseinander. Der Priesterstaat organisiert sich in autoritären Strukturen und erstarrt in leeren Ritualen. Die Königin erhebt sich gegen die männliche Unterdrückung, verliert jedoch jegliches menschliche Maß. Sie wird zur skrupellosen Rächerin und verlangt von der Tochter, Sarastro zu ermorden. Und so geraten zwei junge Paare zwischen die Fronten: Pamina und Tamino, der um ihre Liebe kämpft, werden Prüfungen auferlegt, die beide bis an die Grenze des Todes führen. Und auch Papageno, der sinnenfreudige Begleiter Taminos, wird fast in den Tod getrieben, als seine Hoffnungen auf die geliebte Papagena vereitelt werden. Von den Älteren ist keine Hilfe zu erwarten. Wären da nicht die drei Knaben, die ihre schützende Hand über die Gefährdeten halten, so dass es beide Paare am Ende doch noch schaffen, mit ihrer Liebe die zerrütteten Verhältnisse zu überwinden.
Gerade die Brüche in der Handlung, die dem Librettisten Emanuel Schikaneder oft vorgeworfen wurden, machen deutlich, dass keiner nur gut oder nur böse ist. In ihrer Widersprüchlichkeit sind die Figuren zutiefst menschlich. Die Vielschichtigkeit der Musik sprengt den Rahmen des herkömmlichen Singspiels und ist einmalig in der Geschichte der Oper. Sämtliche musikalischen Stile der Oper des ausgehenden 18. Jahrhunderts sind in diesem 1791 in Wien uraufgeführten Werk vereint: von den virtuosen, der barocken opera seria entlehnten Koloraturarien der Königin der Nacht über die großen Ensembleszenen der opera buffa, bis hin zum volkstümlichen Wiener Lied Papagenos. Schon die prächtige Ouvertüre mit ihrer Bachschen Kontrapunktik sprengt den Rahmen eines einfachen Singspiels und führt den Hörer in den Kosmos großen Welttheaters ein. Dieser einzigartige musikalische Reichtum, der Populäres mit Entlegenem, Heiteres mit Tiefgründigem verbindet, berührt uns heute noch, da er die menschlichen Empfindungen in ihrer Totalität zum Ausdruck bringt. Am Ende sind die Jungen die Klugen. Sie wissen, dass der Mensch nur in der Liebe Erfüllung findet. Und eines ist sicher: Die drei Knaben, Mozarts Wunder-Kinder, haben alles zum Guten gewendet. Es lohnt sich weiterhin, auf sie zu hören!


Oper Köln/Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf/Aalto-Theater Essen/
Theater Wuppertal

Kerstin Maria Pöhler

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