Gemeinsam kann man diese Kunstwerke nicht sehen – Markus Lüpertz stellt seine kleinen Bronzen zur monumentalen Gelsenkirchener Herkules-Figur im vorderen Ausstellungsbereich aus, sein Schüler Junior Toscanelli in der davon abgewandten Passage zur Straße hin – aber es macht Sinn, auf beide Ausstellungen gemeinsam einzugehen. Toscanelli hat bei Lüpertz an der Kunstakademie Düsseldorf studiert; neben Udo Dziersk, der mittlerweile selbst an der dortigen Akademie lehrt, ist er der vielleicht interessanteste und bekannteste seiner Schüler. Allerdings hat man hierzulande lange nichts von ihm gesehen. Anlässlich der Ausstellung in Duisburg erfährt man: Toscanelli hat mehrere Jahre in Paris gearbeitet. Dort hat er auch den „Zauberberg“ von Thomas Mann gelesen. Figurenkonstellationen aus diesem Roman bilden nun die Grundlage des 10-teiligen, spiegelbildlich angelegten Zyklus „Tous les deux“. Die hochformatigen Malereien auf Leinwand sind überlebensgroß, in Duisburg ist der Betrachter unmittelbar mit ihnen und ihrer komplexen Präsenz zwischen Figürlichkeit und Abstraktion konfrontiert. Fast naturalistisch, dann wie eine Silhouette tauchen Paare auf und werden von Farbe überlagert und mit gestischen Strichen geradezu zerstört und damit der Erinnerung in fast beängstigender Verdichtung überantwortet. Dies erreicht Junior Toscanelli durch die komplexen malerischen Vorgänge in der Rücknahme und im Eingriff in die Oberfläche. Er schließt hier an seine früheren Bilder und deren experimentelle Entstehung an, etwa indem er Filzflächen collagiert hat.
Aber es gibt auch externe Bezüge, natürlich. Im abrupt spontanen „Meißeln“ von Strichen in Richtung auf einen monochromen Ton mag man vielleicht an die Tafeln von Imi Knoebel denken. Aber kaum fokussieren wir die Figuren in Toscanellis Gemälden, kommt uns Markus Lüpertz in den Sinn: Auch Lüpertz geht seinen Themen und Motiven in Serien nach, auch er arbeitet zur Fragmentierung hin, nimmt Zerstörungen vor und auch er handelt mit Farbe, die in Flecken rein ästhetisch gesetzt ist. Und schließlich: Auch bei ihm steht die Realität und der Mensch im Mittelpunkt, transzendiert durch Mythen und Erzählungen. Wie nah und wie verschieden also der Lehrer und sein Schüler sind, das verdeutlicht nun die Gleichzeitigkeit der Ausstellungen. Ist's Zufall oder Plan?
Markus Lüpertz, Herkules - Bozzetti für ein Monument im Ruhrgebiet, bis August, und: Junior Toscanelli, Tous les deux, bis 3. Juli in der Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum in Duisburg, www.lehmbruckmuseum.de
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