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Literarischer Cowboy-Ritt an Rhein und Ruhr: Zepp Oberpichler
Foto: Ulrich Schröder

Rheinhausener Ruhr-Western

20. September 2016

Zepp Oberpichler auf der Bochumer Lesebühne im Oveney – Literatur 09/16

Man könnte von einer erfolgreichen Migrationsgeschichte sprechen: Da die Geschäfte als Strandgutdiebe in der dänischen Heimat nicht eben gut laufen, beschließen die Western-Helden Ole Boy und John-Pa Holnussen, sich zusammen mit einem Großteil der Sippe im europäischen Ausland als Metallsammler zu verdingen. Da der ganz große Coup – so etwa die Demontage eines berühmten Metallturms in Paris – jedoch nicht gelingen will und der Holnussen-Clan angesichts tödlicher Zwischenfälle stetig schrumpft, beschließen Ole Boy und John-Pa, sich im metallreichen Duisburg-Rheinhausen anzusiedeln, um dort ein florierendes Business samt 900 Quadratmeter großer „Cowboyland-Ranch“ aufzubauen... Mit seinem aktuell bei Henselowsky und Boschmann erschienenen skurrilen Ruhr-Western „Galgenvögel liegen tiefer“ etabliert Zepp Oberpichler ein neues Genre und spiegelt satirisch die bizarren Blüten, die eine Postindustrieregion in Krisenzeiten treibt.

Zudem las die Gladbecker Autorin Birgit Saluzki aus ihrem Gelsenkirchen-Krimi „Ruhrkälte“ (emons 2015), der im Schalker Fan-Milieu sowie in der Heavy-Metal-Szene seinen mörderischen Anfang nimmt. Auch glänzte der Moderator, Autor und Ex-Linksaußen des VfL Bochum Juckel Henke u. a. mit seiner loriotesken  Anti-AKW-Satire „Schäfer Meertens“: Der 84-jährige letzte Schafhirte der Lüneburger Heide stirbt bei einer Talkshow vor laufender Kamera, als er sich weigert, seine von der Atomkraft-Lobby usurpierte Heimat zu verlassen und nach Bayern zu emigrieren…

„Leben, das war in diesen Tagen: Strandgut zu klauben […], wo man es fand.“ Was etwa für den französischen Surrealisten André Breton das „Treibgut“ an den Gestaden der Zeit war, welches es als „Objet trouvé“ (franz. für ‚gefundener Gegenstand‘) in Alltagskunst zu verwandeln galt, ist für Zepp Oberpichler offenbar die soziale Realtität selbst – auch wenn diese noch so bitter ist, denn nur zwei Clanmitglieder erreichen das gelobte Land, in dem sich allabendlich der Himmel rot verfärbt und einen metallischen Geschmack auf die Zunge legt: „Das erste, was sie sahen, war der Abstich um 18 Uhr.“ Auch gelegentliche Schlägereien mit Aktivisten der Friedensbewegung, die sich von den martialisch anmutenden Tattoos der Holnussens provoziert fühlen, können Ole Boy und John-Pa nicht abschrecken: „Sie waren gekommen, um zu bleiben.“ Doch sie pflegen ihre eigenen Methoden, um ihre Existenz zu sichern und nicht auch noch durch einen übergriffigen Rechtsstaat belangt zu werden – etwa durch die Aufstellung von Bärenfallen, mit denen sie erst Anwälte, dann Polizisten und schließlich auch Pressevertreter wegfangen...  

Im weiteren Verlauf des Westerns rückt jene Figur ins Zentrum der Handlung, die das Erbe der Clan-Dynastie über die zweite Generation hinaus für die Zukunft sichern will: Eisen-Joe oder auch Johannes Eisen, der sich schließlich nach einem Sturz vom Pferd im Krankenhaus wiederfindet, wo er im Wachkoma liegt und von einer Belagerung Duisburgs durch dubiose Indianer-Horden phantasiert. Die Kommunikation „im Niemandsland zwischen Wachen und Träumen“ jedoch gestaltet sich schwierig: „Wie fängt man ein Gespräch mit Indianern an, die man gerade zum ersten Mal in seinem Leben sieht? Hinzu kommt, dass die beiden abgewetzten Vertreter der Rasse des Roten Mannes ein Bild des Jammers abgeben, das einem ordentlichen Gunman sofort ein schlechtes Gewissen macht.“ Doch die abgerissenen Gestalten haben ein ernsthaftes Anliegen, das im Traum bedrohliche Formen annimmt: „Wir belagern die Stadt und ziehen bei euch ein. […] Wir werden euch alle grillen.“ Und für das alles muss ein vermeintlicher „Gott der Liebe“ herhalten, in dessen Namen dies geschehen soll. „Wer so einem Gott dient, der braucht keinen Teufel mehr“, lautet die aphoristische Erkenntnis angesichts solchen Frevels. Die satirisch-unterhaltsame Western-Story bekommt zunehmend einen aufklärerischen Impetus: „Wer sein Leben nicht selbstverantwortlich lebt, lebt überhaupt nicht“, stellt Zepp Oberpichler am Ende sämtliche Autoritäten infrage und verabschiedet sich lächelnd von einem begeisterten Publikum.

Doch das war's noch nicht ganz für dieses Jahr: Bei der einmal mehr von Juckel Henke moderierten letzten LiO-Veranstaltung 2016 wird am 15.10. ab 15.30 Uhr der Kleinkünstler Thomas Hecking zu erleben sein. Voraussichtlich im März wird die Lesebühne im Haus Oveney dann wieder mit neuem Programm ins Sommerhalbjahr 2017 starten.

Ulrich Schröder

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