Ist die „Altersarmut“ nur Einbildung oder belegbar? Klare Zahlen liefern diverse Erhebungen des Landesamtes für Statistik und der DGB-Rentenreport. Der Kreis Unna nimmt eine traurige Spitzenstellung im Ruhrgebiet ein. 1.124 Menschen jenseits der 65 waren dort im vergangenen Jahr auf Grundsicherung im Alter angewiesen. Das bedeutet einen Anstieg von 11,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ähnlich ist die Situation in Ennepe (9,9 Prozent), und Recklinghausen (9,3 Prozent). Der Schnitt im Ruhrgebiet liegt bei einem Anstieg von 7,4 Prozent auf knapp 34.000 Rentner in 2013. Ende des Jahres erhielten in NRW nahezu 250.000 Menschen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, wenn also jemand aufgrund von Krankheit oder Unfall arbeitsunfähig wurde. Das waren rund 18.000 (7,8 Prozent) mehr als im Vorjahr. 55 Prozent davon waren mindestens 65 Jahre alt.
Laut einer Expertise der paritätischen Forschungsstelle in Berlin häuft sich Altersarmut derzeit noch nicht im Ruhrgebiet, es sei dafür jedoch stärker als die Mehrzahl der anderen Regionen in NRW von Armut allgemein betroffen. Aber auch diese Menschen erreichen das Rentenalter – und dann steigt die Quote hier ebenso rasant wie in weniger industriell geprägten Städten am Rhein, in denen das Niedriglohnsegment schon viel früher Überhand gewonnen hat.
Denn etwa jeder sechste Einwohner Nordrhein-Westfalens war 2013 von relativer Einkommensarmut betroffen. „Dieser Anstieg ist im Wesentlichen auf höhere Armutsgefährdung der Personen aus Haushalten von Geringqualifizierten zurückzuführen“, so das Landesamt für Statistik. Nach der Definition der EU gilt eine Person dann als armutsgefährdet, wenn ihr weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung zur Verfügung stehen. Laut Mikrozensus lag die Armutsgefährdungsschwelle für Einpersonenhaushalte in NRW im vergangenen Jahr bei monatlich 873 Euro.
Angesichts solcher Zahlen schlagen die Sozial- und Wohlfahrtsverbände Alarm. Der VdK NRW warnte unlängst davor, „dass Armut in unserem Bundesland zur Normalität werden könnte“. Um das zu verhindern, müssten dringend Maßnahmen gegen Ursachen wie Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, nicht bedarfsgerechte Grundsicherungsleistungen und nicht ausreichende Renten unternommen werden. Nötig sei vor allem eine stärkere Regulierung des Arbeitsmarktes: „Schließlich werden all diejenigen, die sich schon in jungen Jahren mit befristeten Anstellungen, Leih- und Zeitarbeit oder Teilzeit- und Minijobs mühsam über Wasser halten müssen, auch später im Alter kaum von ihrer Rente leben können“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Gleiches gilt für die rund 335.000 Langzeitarbeitslosen in NRW, die selbst bei einer guten wirtschaftlichen Entwicklung und zunehmendem Fachkräftebedarf so gut wie keine Chancen auf eine Rückkehr ins Berufsleben haben.“
Ins gleiche Horn stößt der aktuelle DGB-Rentenreport. In der Region Dortmund-Hellweg beziehe man heute im Schnitt 72 Euro weniger Rente im Monat als vor 20 Jahren, in Bottrop, Gelsenkirchen und Recklinghausen sogar 180 Euro weniger: „Die Menschen müssen immer länger arbeiten und haben dennoch immer niedrigere Rentenansprüche. Wenn es nicht gelingt, den Sinkflug der Neurenten zu verhindern, wird in Zukunft eine durchschnittliche Rente nicht mehr zum Leben reichen.“ Wenn man die Einnahmeseite der Rentenversicherung in NRW betrachte, falle auf, dass fast ein Viertel der Erwerbstätigen nicht in der Lage sei, eine eigenständige Alterssicherung aufzubauen: „Dies betrifft vor allem die dauerhaft geringfügig Beschäftigten, die keine Beiträge in die Rentenversicherung einzahlen. Der Anteil dieser Menschen steigt langsam, aber stetig.“
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