Leere klafft im Stadion, wenn die Bundesliga zu Ende ist. Doch einen Monat vor Start der neuen Bundesligasaison gab es ein erstes Highlight im ehemaligen Westfalenstadion. Die sonst im Dortmunder Jazz-Club Domicil ansässige Lesebühne LMBN („LMBN ist übrigens keine Abkürzung. Spricht man, wie man es schreibt“) machte einen Ausflug ins unweit gelegene Stadion. Dort präsentierte das Sextett aus den Poetry Slammern Sebastian 23, Sulaiman Masomi, Mischa-Sarim Vérollet und Andy Strauß, DJ Nachtfalke und Speed-Painter Artur Fast eine Mischung aus Einzel- und Teamtexten, antreibender Musik und anregender Illustration.
Besonders die Atmosphäre beeindruckte. Vor der Tribüne war eine Bühne aufgebaut, bestückt mit Sesseln und DJ-Pult. Die 200 m2 große Kino-Leinwand hinter der Bühne bot ausreichend Fläche, um die Werke von Speed-Painter Artur Fast künstlerisch würdigen zu können. Zirka 500 Leute sind gekommen, um sich an der XXL-Show zu begeistern. Mit "Einbruch der Dunkelheit“ ging es los. Bis Mitternacht genoss das Publikum zwei Stunden poetische Unterhaltung.
Wenn die BVB-Biene auf der Bühne wütet...
Zum Beginn wird eine Werbung der Reihe „Kino im Stadion“ eingespielt, ein Zusammenschnitt aus Filmen, ironisch kommentiert von Gast-Poet Torsten Sträter. Kurz darauf animiert er das Publikum, Emotionen wie gekünsteltes Lachen oder unglaubhaftes Entsetzen zu zeigen. Ein Kameramann filmt das Ganze, um diese Szenen in einem geplanten Video dazwischen schneiden zu können. „Zauberhaft“, resultiert Sträter nüchtern das ihn wenig überzeugende Schauspieltalent des Publikums.
Im Gegensatz dazu überzeugt der erste Textbeitrag von Mischa-Sarim Vérollet in vollem Umfang. „Den Text werden zwar einige von euch kennen, aber wann bekommt man schon mal die Möglichkeit, ihn in einem Stadion zu präsentieren?“, begründet Vérollet seine Textwahl. Mit „Wie mich Slayer zum Mann machte“ liest er eine Hommage an die „härteste Band der Welt“. Seines Zeichen treuer Hörer der deutschen Indie-Rock-Band Tomte wird er von Kumpels angestiftet, endlich Männermusik zu hören. Mit Slayer gelingt das zeitweise, bis ihm vor Männlichkeit die Ohren bluten.
Andy Strauß treibt es mit seinem Text so weit, dass er von BVB-Maskottchen Emma auf der Bühne verprügelt wird. Die Biene genießt die ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums. „Solange die Biene hier ist, habe ich sowieso keine Chance“, verkündet Sebastian 23, der gerade seinen Text vortragen wollte, resignierend. Diesen spielt er zur Gitarre und in zwei Versionen: Eine frauenfeindliche und eine emanzipatorisch korrekte. Das klassische Thema ist ein Mann, der seine Freundin verlässt.
Auch Moderator Torsten Sträter darf eines seiner Werke vortragen. Der kulinarische Feinschmecker-Poet beginnt mit einem Rückblick auf seine Kindheit, in der er Wurst statt Süßigkeiten bekam: „Die Wurst war grobporig. So grobporig, dass dich aus dem Fett noch das Schweinegesicht angelacht hat“.
Lesebühne par excellence
Höhepunkte waren die mehrstimmig intonierten LMBN-Teamtexte und Lieder, die vor lustiger Fassade ernste Thematiken lieferten. Während im Lied „Jemand hat es schon getan“ gnadenlos dargestellt wird, dass kaum jemand etwas als Erster tut, wird im Teamtext „Babel“ auf die Sprachverwirrung eingegangen. Ein Poet stellt einen kurzen Teil des Textes vor, den das restliche Team kanonartig mit der Phrase „Babeli, Babela, Babelani“ unterlegt. Es entsteht ein rhythmisch einprägsamer Klang zu textlicher Migrationsproblematik und sprachlichen Barrieren.
LMBN inszenierte sich gekonnt und überzeugend. Grelle Lichteffekte, Illustration im Hintergrund und DJ-Beats lenkten nie von den Texten ab. Im 80.000 Leute-Stadion entstand eine außergewöhnliche Literaturvorstellung. „Dortmunds weltbeste Lesebühne“, so die Selbstdarstellung der Poeten, und ihre opulente Show ist dem meisterlichen Spielort gerecht geworden.
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