Köln kann sich glücklich schätzen. 36 Prozent aller freien Choreografinnen und Choreografen in NRW leben und arbeiten in Köln. 40 Prozent aller freien Tanzvorstellungen sieht man in Köln. Was für eine vitale, künstlerisch vielfältige und auf Kontinuität angelegte Tanzszene das ist, lässt sich auch am Tanzkalender Köln ablesen. Während der Spielzeit kann der Tanzinteressierte jeden Monat aus bis zu 20 Vorstellungen auswählen. Die Stadt Köln weiß das zu schätzen. Sie fördert den Tanz. Deshalb hält sie sich auch für eine Tanzstadt. Und sie rief nach Auflösung (!) der städtischen Tanzkompanie ein sehr erfolgreiches Gastspielprogramm ins Leben, das einen teilweisen Ersatz darstellt.
Umso unverständlicher ist, dass ausgerechnet von der Kulturverwaltung selbst nun Sand ins Getriebe geworfen wird und der Motor für die Entwicklung zu einer zukünftigen umfangreichen Kölner Tanzlandschaft ins Stottern gerät. Über den Stadtrat hinweg, so scheint es, hat der Kulturdezernent eine Kürzung der Mittel für diese Gastspielreihe verfügt. Doch das ist nicht der einzige Salto rückwärts – oder sollte man sagen: Salto mortale –, der die Tanzentwicklung bremst. Die Baustellen sind zahlreich: Der von der freien Tanzszene vorgelegte Tanzentwicklungsplan, den externe Tanzexperten als zukunftweisend für eine Millionenstadt wie Köln bezeichnen, kommt in der Debatte nur schleppend voran. Und ausgerechnet die wichtige Nachwuchsförderung erfolgt nach dem Gießkannenprinzip und nicht strukturell. Zwar sieht das Tanzförderkonzept mittelfristig „ein Nachwuchszentrum für Tanz und Choreografie“ vor, doch die Verwaltung denkt längst nicht in diese Richtung. Sie verkennt schlicht, dass derartige Entwicklungen auch ohne finanzielle Mittel möglich sind, und vor allem frühzeitig eingeleitet werden müssen.
Aber perspektivisch zu denken war im Tanzbereich nie eine Stärke der verantwortlichen Beamten. So greift auch hier die freie Tanzszene wieder zur Selbsthilfe. 2011 initiierte das ChoreografenInnen-Netzwerk Barnes Crossing ein eigenes kleines Nachwuchsfestival: MAD, Movement and Art Development. Bereits bei der zweiten Auflage in diesem Jahr wurden die Veranstalter von Bewerbungen überrannt. Eindeutig: der Nachwuchs des zeitgenössischen Tanzes sucht dringend nach Möglichkeiten sich zu präsentieren. Und jede Serie bringt choreografische Talente wie Sylvana Seddig und Ursula Nill hervor, die bereits zum zweiten Mal für das Festival ausgewählt wurde (CHOICES berichtete). Damit nicht genug, findet im Tanzzentrum Wachsfabrik seit Jahren die Auswahl zum SoloDuoFestival in Budapest statt. Beide Festivals sind offen für eine nationale und internationale Beteiligung. Die Veranstalter liegen damit genau auf der Linie des Tanzförderkonzepts: eine qualifizierte freie Tanzszene in Köln zu schaffen, Tanzkünstler an Köln zu binden, das Niveau zu heben und so die Szene künstlerisch lebendig zu halten. Solche Veränderungen erfordern eine Anpassung der Fördermaßnahmen, meint auch das NRW Landesbüro Tanz in seinem Dance NRW Report. Für das Barnes Crossing kann das nur heißen: Das Tanzzentrum Wachsfabrik erhalten oder eine andere Wirkungsstätte finden, um die erfolgreiche Nachwuchsarbeit fortsetzen zu können.
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