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„So ein Museumsbesuch ist ein Risiko“

28. August 2014

Die Totlast ist tot. Nach der Absage in Duisburg öffnete das Museum Bochum seine Tore und Gregor Schneider verschließt sie mit Kunst – Sammlung 09/14

Gregor Schneider realisiert für die Ruhrtriennale im Kunstmuseum Bochum eine neue Arbeit. Unter dem Titel KUNSTMUSEUM setzt er sich mit dem Ort und der Funktion des Kunstmuseums auseinander. Der Besucher muss durch einen neuen Abflussröhren-Eingang in das Museum. Durch diese „Hintertür“ werden für die Besucher Räume zugänglich, die gewöhnlich nicht zugänglich sind. Nach der Absage seines für das Lehmbruck Museum in Duisburg vorgesehenen Raumkunstwerkes „totlast“ durch den Oberbürgermeister der Stadt Duisburg soll die kurzfristige Realisierung in Bochum ein großer Erfolg werden. trailer sprach vor der Eröffnung mit Museumsdirektor Dr. Hans Günter Golinski.

trailer: Macht Gregor Schneider aus dem Bochumer Museum eine Kläranlage?
Hans Günter Golinski:
Nein (lacht). Er versperrt den Haupteingang und dann kommt die Assoziation vielleicht, weil er das Publikum durch Abwasserkanäle einlässt. Es ist eine metaphorische assoziative Umschreibung. Er schafft einen Eingang, der den Besucher erst mal im Ungewissen lässt, wo es hingeht. Damit durchbricht er massiv vertraute Erwartungshaltungen. Pointiert gesagt gibt es ja auch so einen Gang ins Museum zur kulturmäßigen Unterhaltung, man weiß, was kommt, man trifft so eine bestimmte Szene. Bei Schneider werde ich plötzlich mit meinem Genussverhalten vollkommen durcheinander gebracht. Ich werde sogar darauf hingewiesen: So ein Museumsbesuch ist ein Risiko und es kann sein, dass du mit deinen Partyklamotten irgendwie Probleme kriegst.

Warum haben die klaustrophobischen Räume von Schneider immer noch so eine große Anziehungskraft?

Hans Günter Golinski
Foto: Presseamt Bochum
Hans Günter Golinski hat Pädagogik in Wuppertal, Kunstgeschichte, Archäologie und Germanistik in Bochum studiert. In den 1980ern war er Kunst am Bau-Beauftragter des Landes NRW, dann Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Rheinischen Landesmuseum in Bonn und wissenschaftlicher Kustos am Museum Bochum. Seit 1997 ist er dort Direktor.

Weil er es fertig bringt, diese gesellschaftliche, diese soziale Klaustrophobie zum Thema zu machen. Es ist ja nicht nur die Enge des Raumes, die mir Angst macht, ich kann mich auch in einem riesigen Ballsaal bewegen und habe Angstzustände und fühle mich eingeengt, bin ich mental, geistig, sozial in die Enge getrieben. Schneider schafft es, diese soziale Enge in Räume zu setzen. Das ist ein wichtiger Aspekt für mich.

Wo sind noch verborgene Räume im Museum – vielleicht Ihr Arbeitszimmer?
Mein Arbeitszimmer nicht unbedingt. Aber natürlich gibt es Bereiche im Museum, wo die Öffentlichkeit nur schwer reinkommt, aus versicherungstechnischen oder aus konservatorischen Gründen. Es gibt auch Räume, die interessiert eigentlich niemanden. Man schaut ja immer nur nach vorne, die Show läuft vorne und das hinter der Kulisse, das interessiert nicht. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, diese ganze Show, die da vorne abläuft, die kann man ja auch in weiten Teilen in Frage stellen. Aberich will und kann die Arbeit jetzt gar nicht in ihren Details vorwegnehmen.

Aber Schneider kommt ohne Show aus?
Es gibt ja viele spektakuläre Ausstellungen, die sind reiner Showeffekt. Wir merken doch, dass die ganze Kunstszene eine Industrie geworden ist. Allem voran der Kunstmarkt, der die Museen auch zum Schaufenster missbrauchen kann. Man braucht da ein Rückgrat und man braucht eine gute Struktur. Man braucht eine Stadt, die einem da den Rücken stärkt, damit man der Kunst die Freiheit eröffnen kann, die sie braucht. Aus meiner Sicht werden solche Themen gerade durch diese Arbeit, die sich ja „Kunstmuseum“ nennt, thematisiert.

Also reduziert auf das Wesentliche?
Ich denke an Ausstellungen, wie sie in großen Museen stattfinden, die diese langen Besucherschlangen provozieren wollen, die im Grunde genommen einen Modegeschmack befriedigen und nie um Aufklärung bemüht sind. Es ist chic, da reinzugehen, dafür macht man einfach nurNamedropping, schafft ein gesellschaftliches Ereignis und vergewaltigt im Grunde genommen die Kunst. Da wird auch mal direkt vor einem Bild ein riesiges Buffet aufgebaut, dass man Angst haben muss, dass es von den Tomaten bespritzt wird. Schneider setzt dem ganz subtil was entgegen. Er reagiert nicht darauf, nicht eins zu eins, aber er hinterfragt unseren Umgang mit Kunst und mit Kunstmuseen. Das ist mir wichtig.

Wie schnell haben Sie sich denn nach der Absage in Duisburg für die Installation entschieden?
Das war ein Prozess auf mehreren Ebenen. Allen voran war ganz wichtig, dass es keinen Keil zwischen dem Kunstmuseum Bochum und dem Lehmbruck Museum gibt, dass meine Kollegin und ich uns da nicht wechselseitig Konkurrenz machen. Die andere war natürlich die technische Seite.Wir hatten ja die Situation: wenn nicht in Bochum, dann gar nicht. Und da dürfen Kleininteressen, die dann plötzlich kommen und kommunale Interessen sind, keine Rolle spielen. Wenn es wirklich um Kunst geht, dann geht es auch um dieKunst. Wir haben im Ruhrgebiet immer noch Probleme in der Außenwirkung. Aber es hat lange gedauert, bis diese ganzen technischen Prüfverfahren durch waren, aber auch wiederum durch die Erfahrungen in Duisburg, da war ja auch vieles schon vorab von der Sicherheit her gecheckt, so dass es hier schneller gehen konnte.

Aber dennoch war wenig Zeit zum Planen für Künstler und Museum?
Es war eine knappe Zeit, gar keine Frage. Aber alle haben direkt oder indirekt so eine Art Urlaubssperre gemacht und rund um die Uhr gearbeitet. Denn Schneider arbeitet ja immer nur aus dem Ort heraus. Deswegen ist es auch nicht so, dass er die „totlast“ einfach nach Bochum bringt, sondern die „totlast“ ist tot.

Gregor Schneider – KUNSTMUSEUM“ | 29.8.-12.10. | Museum Bochum | 0234 910 42 30

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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