„So viele Ur- und Erstaufführungen gab es noch nie“
26. März 2015
Intendant Hoffmann über ein Rendezvous mit Frankreich bei den Ruhrfestspielen – Premiere 04/15
Unter dem Motto Tête-à-Tête präsentieren die Ruhrfestspiele Recklinghausen 2015 so viele Stars wie noch nie. Warum davon so viele aus Frankreich kommen und was es mit den neun Geheimnissen von Ute Lemper und Völker Schlöndorff auf sich hat, erläutert Intendant Dr. Frank Hoffmann im Interview.
trailer: Der Tag der Arbeit rückt immer näher, die Grippewelle schwindet, was macht die Logistik auf dem grünen Hügel?
Dr. Frank Hoffmann: Wir sind voll dabei. Die ganze Mannschaft ist seit geraumer Zeit intensiv mit Vorbereitungsarbeiten beschäftigt. Das sind nicht nur Arbeiten für die Logistik, auch technischer und natürlich künstlerischer Art. Auf diesen verschiedenen Hochzeiten tanzen wir.
Es wird ein Tête-à-Têtemit europäischen Theaterstars, irgendwann müssen die ja mal aufgebraucht sein?
Dr. Frank Hoffmann studierte Germanistik, Romanistik und
Philosophie in Luxemburg und Heidelberg, 1983 promovierte er über eine von
Michel Foucault ausgehende Philosophie des Theaters. Seit 1988 hält er eine
Professur für Regie am Konservatorium in Luxemburg und ist zudem seit September
2004 Festspielleiter der Ruhrfestspiele Recklinghausen.
Es gibt viele bedeutende Künstler im Theaterbereich – da ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Aber eigentlich mag ich diesen Begriff Stars gar nicht so sehr. Für mich sind alle erst einmal große Künstler, in unserem Fall Schauspieler und Regisseure. Aber nicht weil sie Stars sind, kommen sie zu den Ruhrfestspielen, sondern wegen der Kunst. Und wenn ich einmal nicht mehr da sein werde, wird die Welt noch voller Stars sein, die gerne nach Recklinghausen kommen.
Viele kommen 2015 aus Frankreich?
Selbst in diesem Jahr, wo wir so viele Stars wie noch nie haben, im gängigen Sinne zumindest, haben wir sehr viele französische nicht dabei, die ich gerne dabei gehabt hätte. Aber es hat eben nicht geklappt, weil sie ein anderes Projekt oder keine Zeit hatten. Das ist immer so eine Momentaufnahme und hat auch nicht unbedingt den Anspruch auf Repräsentativität.
Die Ruhrfestspiele stehen ja auch für Ur- und Erstaufführungen – habe ich nur den Eindruck, oder sind es dieses Mal besonders viele?
Es sind dieses Mal besonders viele. Wir haben nicht nur das Festival der Uraufführungen weiterhin in der Halle König Ludwig im Programm mit den fünf Uraufführungen, wir haben auch in den anderen Spielstätten viele Uraufführungen. Ich glaube auch, so viele wie noch nie.
Und das Programm ist lehrreich: Biologie in der Peepshow mit Isabella Rossellini oder wie Korea wiedervereinigt wird von Joel Pommerat?
Das haben sie selbst schön gesagt, der Biologie in der Peepshow kann ich gar nichts hinzufügen. Die Wiedervereinigung der Koreas ist ja eigentlich eine große Beziehungsgeschichte. Da kommen zwei Menschen zusammen, die wollen zusammenkommen, die wollen sich vereinigen, und es ist fast so unmöglich wie die Wiedervereinigung der beiden Koreas. In dem Fall ist es ein politischer Titel für ein Stück über ein Paar.
Und wem das zu viel wird, der kann dann in der Festspielhalle meditieren?
Genau. Obwohl, es könnte sein, dass wir Jean Michel Bruyère vielleicht um ein Jahr verschieben müssen, obwohl ich das als mein Lieblingsprojekt deklariert habe.
Selbst Sophie Rois kommt nur als Vorleserin?
Ja. Aber das liegt nicht nur an den Ruhrfestspielen, das liegt auch an den Arbeitsprojekten von Sophie Rois. Sie war ja letztes und auch vorletztes Jahr mit Projekten vertreten.
Und was muss ich mir vorstellen unter den neun Geheimnissen von Ute Lemper und Volker Schlöndorff?
Das ist ein Herzensprojekt von Ute Lemper. In einem Moment, in dem es ihr nicht so gut ging, ist sie in eine Buchhandlung gegangen und ist auf dieses Buch von Paulo Coelho gestoßen und hat sich in den Text verliebt. Dieses Buch hat ihr eine Kraft gegeben, Motivation, so sehr, dass sie daraus wiederum, und da spricht dann die Künstlerin aus ihr, ein Theaterprojekt machen wollte. Es ist aber natürlich nicht die Erzählung des Romans, es ist ja kein richtiger Roman, aber diese Schriften sind auf eine sehr eigene Art zusammengebündelt. Sie hat daraus Lieder gemacht. Zwischendurch erzählt sie in deutscher Sprache selbst live, aber die Lieder sind in mehreren Sprachen verfasst. Es wird wie so eine kleine Reise durch die Sprache in einer filmischen, einer cineastischen Vision des großen Volker Schlöndorff. Die beiden kennen sich schon sehr lange und ich habe sie sehr ermutigt, das mit Schlöndorff gemeinsam zu machen. Dieser Film ist gerade im Entstehen, in dem Moment, wo wir miteinander reden.
Also eine Art filmischer Performance?
So kann man das sehen. Sie und ihr Musiker sind auf der Bühne. Dahinter ein großer Horizont und darauf gibt es Bilder, die Volker Schlöndorff entworfen hat.
Kommen wir zur Off-Szene beim Fringe Festival mit Zirkus, Tanztheater, und „Hi Hitler“?
Das ist ein Projekt von Lucie Pohl, derTochter von Autor und Schauspieler Klaus Pohl. Das ist ein Stück zwischen Amerika und Deutschland und sie geht sehr unkonventionell mit der Figur Hitler um. Ich glaube, ohne diesen Weg über Amerika hätte sie das wahrscheinlich nie so riskiert. Jetzt riskiert sie es und das wird ein sehr persönlicher und sehr lustiger Abend.
Gibt es von Ihnen ein persönliches Highlight bei den Premieren – neben den Nashörnern natürlich?
Viele Projekte kreieren wir erst noch, denn die meisten zumindest der großen Produktionen haben ja noch gar nicht das Licht der Welt gesehen, sind ja alle noch in Arbeit. Also ist es für solche Aussagen ein bisschen zu früh. Nachher kann ich dann sagen, das war mein Lieblingsstück.
Aber auf jeden Fall wird auch die Fassade des Festspielhauses schön bunt?
Genau, Daniel Buren wird das Ruhrfestspielhaus komplett umgestalten. Das wird so in Licht und Farben erstrahlen, dass man es zwar noch wiedererkennt, aber erstaunt ist.
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