Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
25 26 27 28 29 30 1
2 3 4 5 6 7 8

12.581 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

Die eine Hälfte von Talco.
Foto: Maxi Braun

Tyler Durden im Pogopit

14. Januar 2013

Erstklassiger Ska mit Talco in Dortmund - Musik 1/13

Ein bitterkalter Samstagabend. Vom Dortmunder U scheint eine bedrohlich wirkende Videoinstallation hinab. Eine überdimensionale Taube beäugt wie Gestalten, der Kälte trotzend, über den Königswall Richtung Kaktus-Farm strömen. Gut gelaunt und in Vorfreude auf den hohen Besuch aus dem europäischen Süden, denn Talco sind in der Stadt.

Im Warmen angekommen bringen Roughneck Riot das Publikum bereits auf Betriebstemperatur. Mit ihrem von Folk durchmengten Celtic Punk, aber auch Banjo und Schifferklavier sowie zwei rasanten Rampenfrauen stimmen die sechs Briten wie erwartet perfekt auf Talco ein. Spätestens bei „Pissing in the Wind“ kommen die meisten von der Biertheke Richtung Bühne.

Nach kurzem Umbau betreten die sechs Italiener aus Marghera fast unbemerkt die Bühne. Schon nach wenigen Takten sind sie allerdings nicht mehr zu überhören und die Besucher kaum noch zu halten. Bereits beim ersten Stück wandert ein Stagediver über ohnehin nach oben gereckte Hände, der erste von vielen. Wo es aussieht, als würde am Sonntagmorgen auf gefliesten Boden zur Tanztee-Matinee geladen, bildet sich nun ein Pogopit. Drumherum schafft es niemand, die Füße still zu halten. Punkrock trifft bei Talco auf extrem tanzbaren Ska. Wunderbare Offbeat-Rhythmen, perfekt harmonierende Trompete und Saxophon werden durch den italienischen Gesang ergänzt. Die Sprache aus dem Land des dolce vita ist von Natur aus melodisch. Jeder Song sprudelt wie eine akustische Wundertüte vor Euphorie über. Die Fans danken es mit ausgelassenem Tanz und feiern Talco als gäbe es kein Morgen mehr. Der Raum ist eine einzige wabernde Masse, die kollektiv klatsch, sich hinhockt, aufspringt.

Dass die wenigsten im Raum Italienisch sprechen dürften, wirkt sich nicht auf die Stimmung aus. Dabei sind Talco in bester Ska P-Manier und Weggefährten wie Banda Bassotti und RedSka verpflichtet durchaus politisch. Aber selbst Antifa-Parolen, Kapitalismuskritik und Partisanenrufe klingen auf Italienisch fast wie Poesie. Hinzu kommen fetzende Balkanbeats. Eugene Hütz alias Gogol Bordello würde längst volltrunken auf dem Tisch tanzen.

Ob man die Texte von Talco nun inhaltlich versteht oder nicht, ist letztlich unerheblich. Anderthalb Stunden lang verbreitet das italienische Sextett um Sänger Tomaso De Mattia allein durch seine Rhythmen pure Lebensfreude. Denn einfach mal einen Abend die Seele tanzen zu lassen, macht die Menschheit zumindest nicht noch schlechter. Letzten Endes – und das zwischendurch intonierte „His Name was Robert Paulson“ lässt vermuten, dass Talco den Film "Fight Club" mehr als einmal gesehen haben dürften – sind wir ja doch nur der singende, tanzende Abschaum der Welt.

Maxi Braun

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Vaiana 2

Lesen Sie dazu auch:

„Die Tische flogen durch die Luft“
Rolf Kistenich über 40 Jahre Blue Shell – Interview 06/19 (mit Video)

„Gabba, Gabba, Hey!“-Momente
„Ramones. Eine Lebensgeschichte“ mit Flo Hayler am 13.12. in der Zeche Carl in Essen – Musik 12/18

Kommunist mit Drogenproblemen
„Tagebuch eines Fastenden“ von Torsun „Egotronic“ Burkhardt

„Björn Höcke die Brille von der Nase schlagen“
Pascow mit „Lost Heimweh“-Tour am 26.1. im Bahnhof Langendreer – Musik 01/17

Sprungbrett im Keller
Das Emergenza-Semifinale in der Matrix mobilisiert ein großes Publikum – Musik 03/15

Ruhrpottrock im Riff
Emergenza-Vorrunde lockt Rock- und Metalfans ins Riff – Musik 03/15

Von Bochum in die Welt
Vorrunde des internationalen Band-Festivals Emergenza im Riff

„Ich würde beim Drehen fast alles machen“
Tom Schilling über „Tod den Hippies!! Es lebe der Punk!“, die Faszination der 80er und seinen Karriereboom – Roter Teppich 03/15

Ein kleiner Schritt zur großen Bühne
Ein weiterer Finalist für den S-Clubraum Contest steht fest – Musik 11/14

Halbfinale in der Recklinghäuser Rockszene
Beim S-Clubraum-Contest in Herten rocken sechs Bands um den Einzug ins Finale

Die besten Dinge sind die, die keiner kennt
FJØRT, Goodbye Fairground und Leitkegel setzten den Club der Weststadthalle unter Strom – Musik 10/14

Harte Riffs für sauberes Wasser
Benefizkonzert für die Wasserinitiative Viva con Agua in Essen

Musik.

Hier erscheint die Aufforderung!