Aeneas Rooch, Mathematiker an der Ruhr-Universität Bochum, hat eine Persiflage gedreht, welche die Image-Filme der deutschen Hochschulen aufs Korn nimmt. Im Interview spricht er über die Entstehung seines Filmes und über die Selbstvermarktung der Universitäten.
trailer: Hallo, Herr Rooch. Zunächst einmal der Frage: Wie kommt ein Mathematiker dazu, einen Film zu drehen?
Aeneas Rooch: Ich schaue viel und gerne Filme und bin sehr interessiert an Kameraeinstellungen und Filmtechnik allgemein. Vor fünf Jahren habe ich die Veranstaltung „Nightmare before Semester“ gemacht, bei der ich mich als Professor verkleidet habe. Mittlerweile bin ich zu alt dazu. Ein Diplomer, der sich als Professor verkleidet, ist etwas witzlos. Da kam mir Idee „Mach doch einfach mal einen Film“. Etwas Satirisches. Besagte Horrorvorlesung war ja auch schon satirisch.
Sind Sie während des Filmdrehs an die Grenzen eines Laien gestoßen?
Ja, jeden Tag. Man hat eine ungefähre Vorstellung, was man machen muss. Ich habe mir Wissen über die filmische Aufarbeitung angelesen. Besonders für die Postproduktion. Die Kamerafrau hat mich glücklicherweise unterstützt und die Farben korrigiert. Sie arbeitet auch in dem Gebiet. Aber das meiste ist durch Ausprobieren entstanden. Wir mussten auch ziemlich kreativ werden. Die Leuchtstrahler zum Beispiel waren aus dem Baumarkt. Letztendlich hat aber alles geklappt. Der Film sieht besser aus, als es beim Drehen den Eindruck machte.
Wie lange haben Sie für den Dreh und die Postproduktion benötigt?
Der Dreh selbst hat drei Tage gedauert. Die Kamerafrau war von dem Tempo sehr überrascht und öfter gesagt: „Allein für diese Szene würde man normalerweise einen ganzen Tag veranschlagen.“ Wir haben pro Szene aber ein oder zwei Stunden gebraucht. Das Schneiden, die gesamte Postproduktion und das Rennen um die Musikrechte hat dagegen mehrere Monate gedauert. Das geschah dann alles nach der Arbeit oder am Wochenende.
Wie haben Sie die Schauspieler für den Film gewonnen?
Ich hab groß im Bekannten- und Freundeskreis herumgefragt. Ehrlich gesagt, habe ich mich ein wenig gewundert, dass sich so wenige gemeldet haben. Ich dachte, es gäbe mehr Leute wie mich, die Spaß an sowas haben. Aber aus von meinen Freunden und Freunden von Freunden haben sich dann doch genug Engagierte gefunden.
Herr Weiler, der Rektor der RUB, hat die Schirmherrschaft für den Film übernommen. Wie kam das?
Im Laufe der Filmentstehung war klar, dass es ein größeres Projekt wird. Mit Radio Bochum und bekannten Sprechern aus dem Off kann man das nicht im kleinen Rahmen zeigen. Das würde dem Aufwand und den Mitwirkenden nicht gerecht werden. Aber für einen größeren Rahmen brauchte ich akademische Unterstützung. Auf Anfrage hat sich der Rektor sehr schnell dazu entschlossen, die Schirmherrschaft zu übernehmen. Er mochte die Ironie und dass so viele von der Uni sich an dem Projekt beteiligt hatten.
Ist Ihre Intention zu unterhalten oder zum kritisches Denken anzuregen? Über Universitätsbetrieb und -marketing.
Beides. Meiner Meinung sollte es jede Uni auch nutzen, nach Möglichkeit Fördergelder zu bekommen. Ob durch die Fördergelder dann aber auch inhaltliche Qualität erworben wird, kann ich nicht beurteilen. Insgesamt finde ich die Entwicklung der Exzellenzbewegung problematisch.
Inwiefern?
Wettbewerb schadet nie. Man aktiviert dabei Strukturen, man hat sich gemeinsam nach vorne gebracht und sein Potential ausgelotet. Ob man das Geld bekommt oder nicht. Es kostet natürlich aber auch Energie und Kapazitäten. Ein gutes Maß zu halten, ist schwierig.
Worin sehen sie die Aufgabe der Universität? Sollten Studienanfänger auf die MINT-Fächer setzen, da sie von wirtschaftlichem Nutzen sind?
Man sollte nichts machen, woran man keinen Spaß hat, aber auch daran denken, dass man irgendwo von leben muss. Grundsätzlich hat jede Wissenschaft seine Berechtigung an der Universität. Bildung sollte unabhängig sein von ihrem direkten Nutzen. Gesellschaftswissenschaften sind ebenso wichtig. Ich habe selber auch das Latinum und das Graecum und sogar einen humanistischen Namen. Junge Menschen in einer wissenschaftlichen Disziplin kritisch auszubilden, sollte die Aufgabe einer Universität ein.
Was ist das Problem bei den Marketing-Filmen der Universitäten?
Universitäten stehen vor der Aufgabe, Werbung machen zu müssen, haben dabei aber oft keine gute Verbindung zu ihrer Zielgruppe. Werbevideos für Fördergelder sind teilweise fürchterlich bis schmerzhaft. Da stehen Wissenschaftler vor einer Tafel und erklären, welch tolle Wissenschaftler sind. Dabei sind sie oft keine tollen Werbefiguren. Ich treibe das mit meinem Film auf die Spitze. Man muss aber sagen, dass die RUB sogar ganz gute Werbung macht.
Sollten also amerikanische Uni-Werbefilme das Vorbild sein?
Diese Videos sind professionell, dafür aber oft vom Reißbrett. Sie sehen nach Hochglanz aus, aber es steckt nichts dahinter. Beeindruckende, kreative Videos sind in der Tat schwierig zu produzieren. Man braucht dafür Medienerfahrung, um nicht diese unnatürlichen Videos mit Großaufnahmen von Händen und gestellten Szenen zu drehen.
Eine Universität muss aufpassen, nicht nur mit großen Worten ohne Inhalt daher zu kommen. Schließlich geht es um eine wissenschaftliche Ausbildung.
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