Sein Gesicht glänzt. Ein leichtes, spannungsloses Lächeln belebt die vom Babyspeck noch nicht abgeschwollenen Wangen. Dabei fließen aus seinen kurzen Fingern die Signale für hochvirtuose Läufe an die Saiten einer viel zu groß wirkenden, bauchigen Vollresonanzgitarre. Alles klingt völlig natürlich, unaufgeregt, wie die schönste Nebensache der Welt. Papa „Bandi“ ist ja auch dabei, am Bass oder an der Rhythmusgitarre, wahlweise. Sohn Andreas Varady, 14 Jahre jung, Jazzmusiker, gastiert jetzt erstmals in Deutschland.
Viele junge Sterne blühen am Musikerhimmel auf und verglühen gleich wieder. Gerade in der Klassik beschränkt sich das Knowhow der Kids oft auf die technische Beherrschung der aufgelegten Literatur, dann siegt der Virtuoseneffekt aus Kinderhand, die allerdings nur gelehrig repetiert, was die Lehrer gelehrt haben. Es gibt aber auch andere.
Als ich Maxim Vengerov, heute einer der prominentesten Violinvirtuosen der Welt kennenlernen durfte, war dieser ungefähr 14 Jahre alt und gab als Hobbys neben dem Geigen an: Sprachen, Naturwissenschaften und Spazierengehen. Da wurde das Potential eines ungewöhnlichen Talents erahnbar.
Als der etwa 13jährige Bireli Lagrene einen wichtigen Jazzpreis errang und später u.a. mit der damaligen europäischen Jazzikone Philip Catherine – dieser war selbst als „Young Django“ bekannt geworden – im Duett Gipsy-Jazz und Swing alla Django Reinhardt zelebrierte, sagte die Fachwelt dem virtuosen Kind eine große Zukunft voraus. Sie trat auch ein, aber nicht in der Karriere als Django-Epigone, sondern als eigenständiger Fusionmusiker.
An Birelis Entwicklung erinnert die Vita des heute jungen Andreas: Mit vier die erste Gitarre und Unterricht beim Vater, Aktivitäten in Bands mit Familienunterstützung, frühe internationale Erfolge auf Festivals und in Clubs. Andreas spielte ziemlich genau vor einem Jahr in Londons legendärem Ronnie Scott‘s, bejubelt von den verwöhnten Kennern der musikalischen Weltstadt: sein Schritt auf die Weltbühne des Jazz.
Wenn der in der Slowakei geborene Gitarrenheroe von morgen, der in seiner irischen Wahlheimat als Straßenmusiker in Cork und Limerick erste Auftrittserfahrung und bestimmt zahllose staunenden Blicke gewinnen konnte, jetzt im Alten Pfandhaus gastiert, sitzt neben dem Vater ein ebenfalls 14jähriges Talent am Schlagzeug. So fühlt sich das Wunderkind also nur als „Primus inter pares“. Zuvor begibt sich Andreas noch aus Werbegründen auf das Gästesofa der Sendung „TV-Total“ und stellt sich den Fragen des „Metzgers seriöser Unterhaltung“. Nach seinem Kölner Gastspiel geht es zum Rheingau Musik Festival.
Der Junge mit der Jazzgitarre spielt lupenreine Bebop- und Swingimprovisationen, die perfekt wie transkribierte Stilkopien klingen, aber tatsächlich wohl aus einer jugendlichen musikantischen Seele entspringen, die ja auch bereits auf eine zehnjährige Hör- bzw. Spielerfahrung zurückblicken darf. Die von ihm erfundenen Lines suchen sich keinen Weg durch die komplizierte Harmonik von Stücken aus der Feder von Charly Parker oder John Coltrane, sie bilden sie ab und bereichern – das nennt sich auch als Geburt aus dem Kopf eines 14Jährigen „gelungene Interpretation“.
Andreas Varady Trio I 9.3., 20 Uhr I Altes Pfandhaus Köln I www.altes-pfandhaus.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Tolerante Szene
An diesem Abend gehen Kölner Jazzbühnen fremd – Improvisierte Musik in NRW 11/24
Nordisches Spitzenprodukt
Rymden am Theater Krefeld – Improvisierte Musik in NRW 10/24
Experimentell und innovativ
3. New Colours Festival in Gelsenkirchen – Improvisierte Musik in NRW 09/24
Immer eine Uraufführung
4. Cologne Jazzweek – Improvisierte Musik in NRW 08/24
Ein Abend für den Duke
Jason Moran und die hr-Bigband in Duisburg – Improvisierte Musik in NRW 07/24
Musikalische Eröffnung der EM
Bundesjazzorchester mit Tom Gaebel in Dortmund und Köln – Improvisierte Musik in NRW 06/24
Verschiedene Welten
Drei Trompeter besuchen das Ruhrgebiet – Improvisierte Musik in NRW 05/24
Besuch von der Insel
„Paul Heller invites Gary Husband“ im Stadtgarten – Improvisierte Musik in NRW 04/24
Pure Lust an der Musik
Das Thomas Quasthoff Quartett im Konzerthaus Dortmund – Improvisierte Musik in NRW 03/24
Kleinstes Orchester der Welt
„Solace“ in der Friedenskirche Ratingen – Improvisierte Musik in NRW 02/24
Mit zwei Krachern ins neue Jahr
Jesse Davis Quartet und European All Stars in Köln – Improvisierte Musik in NRW 01/24
Sturmhaube und Ballonmütze
Gregory Porter in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 12/23
Balladen für den Herbst
Caris Hermes Quintett in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 11/23
Wonnemonat für Fusionfans
Drei E-Gitarren erobern das Ruhrgebiet – Improvisierte Musik in NRW 10/23
Funk und Soul mit fetten Sounds
„Tribute To Curtis Mayfield“ in der Kölner Philharmonie – Improvisierte Musik in NRW 09/23
Die Trommel mal ganz vorne
„Schlagzeugmarathon“ in Essen – Improvisierte Musik in NRW 08/23
Bird with Strings
Karolina Strassmayer in Essen – Improvisierte Musik in NRW 07/23
Tüchtige Kellerkinder
Subway Jazz Orchestra feiert zehnten Geburtstag – Improvisierte Musik in NRW 06/23
John Scofield allein zu Haus
Der große Gitarrist in Oberhausen – Improvisierte Musik in NRW 05/23
David Murray auf Hochtouren
„International Jazz Day“ auf Burg Linn – Improvisierte Musik in NRW 04/23
Es klingelt das Vibraphon
Wolfgang Lackerschmid im Jazzkeller Krefeld – Improvisierte Musik in NRW 03/23
Sisters in Jazz
Cæcilie Norby und Band in Bad Hamm – Improvisierte Musik in NRW 02/23
Je bunter, umso besser
„Die Verwandlung“ in Wuppertal, Köln und Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 01/23
Den Eisbär im Programm
JugendJazzOrchester NRW im Stadtgarten Köln – Improvisierte Musik in NRW 12/22
Ein Klangträumer an den Tasten
Michael Wollny Trio in Düsseldorf und Dortmund – Improvisierte Musik in NRW 11/22