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Irmtraud Hnilica zu Gast im Filmstudio Glückauf in Essen
Frank Brenner

Schund und Vergnügen

18. Dezember 2024

„Guilty Christmas Pleasures: Weihnachtsfilme“ im Filmstudio Glückauf Essen – Foyer 12/24

Dienstag, 17. Dezember: Passend zur vorweihnachtlichen Zeit widmete sich der zweite Themenabend der aktuellen Veranstaltungsreihe „Schund und Vergnügen“ des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen (KWI) dem aktuell boomenden Genre des Weihnachtsfilms. Als Gastreferentin war die Filmwissenschaftlerin und Dozentin der FernUniversität Hagen, Irmtraud Hnilica, geladen. Diese hatte sich in den letzten Jahren eingehend mit dem Thema beschäftigt. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen Andrea Geier und Irina Gradinari hat sie bislang zwei Bücher unter dem Reihentitel „Weihnachtsfilme lesen“ herausgegeben, ein weiteres steht bereits in den Startlöchern. Bei ihrer Einführung zur CineScience-Veranstaltung „Guilty Christmas Pleasures: Weihnachtsfilme“ im Essener Filmstudio Glückauf erläuterte Hnilica, dass das den Büchern zugrundeliegende Kooperationsprojekt seinerzeit aus einer Schnapsidee und einem Corona-Zoom heraus entstanden sei. „Nach einer ersten Tagung zum Thema wurde uns das Potenzial erst deutlich, die Tagung wurde seitdem jedes Jahr wiederholt“, führte die Filmwissenschaftlerin weiter aus. Für Armin Flender, den Geschäftsführer des KWI, ist das „schundhafte Vergnügen“ bereits seit Beginn des Mediums Film integraler Bestandteil desselben. Schon bei den ersten Filmvorführungen auf „Jahrmärkten mangelte es nicht an derbem Klamauk und Schlüpfrigkeiten“, so Flender. Da sich daran bis heute wenig geändert habe, wurde vom KWI die Reihe „Schund und Vergnügen“ ins Leben gerufen. Flender weiter: „Weihnachtsfilme haben einen zweifelhaften Ruf wegen ihrer Kitschigkeit und ihrer vorhersehbaren Plots, gehören für viele aber trotzdem zu Weihnachten dazu.“


Armin Flender vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen, Foto: Frank Brenner

Prägende Weihnachtsästhetik

Irmtraud Hnilica geht sogar noch ein Stück weiter. Ihrer Meinung nach haben Weihnachtsfilme unsere heutige Weihnachtsästhetik zu einem Gutteil erst geprägt. Die Farben Rot und Gold, Weihnachtsbäume, Engel und künstlicher Schnee waren vor dem Aufkommen der ersten Weihnachtsfilme in den 1940er Jahren eigentlich eher untypisch, hätten erst danach Einzug in unsere Kultur gehalten, führte die Dozentin aus. Die Schablonenhaftigkeit bei Weihnachtsfilmen habe sich im Laufe der Zeit sogar zu einer der Stärken des Genres entwickelt. „Dadurch, dass das Happy End bereits in die Filme eingeschrieben ist, ermöglicht das im Vorfeld eine enorme Bandbreite an Problemen, die in den Geschichten verhandelt werden können“, so Hnilica. Zur Veranschaulichung für ihre Thesen und als Diskussionsgrundlage für die zahlreichen Interessierten am Vortrag hatte die Dozentin Ausschnitte aus drei exemplarischen Weihnachtsfilmen mitgebracht. „Miracle on 34th Street“ (Das Wunder von Manhattan) von George Seaton aus dem Jahr 1947 war davon sicherlich der bekannteste, zumal er zu den Vorreitern des Genres zählt. Schon in diesem Schwarz-Weiß-Film ist die Problematik angelegt, dass „Heim und Familie nicht gegeben sind, sondern Gegenstand ganz komplexer Aushandlungsprozesse“. Seatons Film erzählt von einer allein erziehenden und berufstätigen Mutter, Männer sind in seiner Geschichte dezentriert – diese Bestandteile sollten sich in den nächsten Jahren noch in etlichen anderen Weihnachtsfilmen wiederfinden. Ebenfalls zum Genrestandard gehört die Tatsache, dass eine der Figuren nicht an den Weihnachtsmann glaubt, hier personifiziert durch die neunjährige Tochter der Protagonistin, dargestellt vom Kinderstar Natalie Wood.


Irmtraud Hnilica referiert über Weihnachtsfilme, Foto: Frank Brenner

Des eigenen Trashfaktors bewusst

Als zweites Beispiel hatte Irmtraud Hnilica mit „A Godwink Christmas“ von Michael Robison aus dem Jahr 2018 einen Vertreter der Hallmark-Weihnachtsfilme ausgewählt. Die werden seit einigen Jahren geradezu am Fließband produziert, ca. 30 Stück sind es pro Saison. In den USA werden sie heiß diskutiert und als „emotional porn for women“ klassifiziert. Obwohl es durchaus auch ein stark ritualisiertes, ironisches Anschauen dieser Filme geben würde, bei denen auch der Cringe-Faktor eine entscheidende Rolle spiele, würde „ein Großteil des Publikums diese Filme aber auf jeden Fall goutieren“, erläuterte die Referentin. Den Hallmark-Weihnachtsfilmen gelänge es, mehrere unterschiedliche Generationen anzusprechen und Diskussionen über solch grundlegende Themen wie Arbeitsteilung, Rollenzuweisungen und Liebe im Alter anzuregen. Den krönenden Abschluss des Abends bildeten einige Ausschnitte aus dem 1964 von Nicholas Webster inszenierten „Santa Claus Conquers the Martians“, einem Werk, das in etlichen Listen als einer der schlechtesten Filme aller Zeiten geführt wird. Hier wird der Weihnachtsmann von Marsmenschen auf ihren Planeten entführt, weil sie von ihm erhoffen, dass er ihre Kinder wieder Kinder sein lässt, was ihnen ohne das Feiern von Weihnachten nicht möglich war. Die starke mediale Selbstreflexion, die Bestandteil von Websters Film ist, sei ebenfalls charakteristisch für das Genre des Weihnachtsfilms, das „sich oftmals des eigenen Trashfaktors bewusst“ sei, schloss Irmtraud Hnilica ihre amüsanten und kurzweiligen Betrachtungen. In der CineScience-Reihe „Schund und Vergnügen“ geht es am 4. Februar 2025 weiter, mit einem Vortrag von Gertrud Koch von der FU Berlin über Körperkomik unter dem Titel „Ordinär: Im Kino gewesen. Gelacht.“

Frank Brenner

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