Weißt du noch
Deutschland 2023, Laufzeit: 94 Min., FSK 6
Regie: Rainer Kaufmann
Darsteller: Senta Berger, Günther Maria Halmer, Konstantin Wecker
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Reifende Tragikomödie
Irgendwas war
„Weißt du noch“ von Rainer Kaufmann
2019 stand in Rainer Kaufmanns Kammerspiel „Und wer nimmt den Hund?“ ein Paar nach über 25 Jahren vor den Scherben seiner Ehe. In „Weißt du noch“ haben es Marianne (Senta Berger) und Günter (Günther Maria Halmer) bereits auf über 50 Jahre gebracht. Die Scherben indes, auf denen sie stehen, sind die Scherben des gemeinsamen Ruhestands: Während sich Marianne mit Dauerprogramm geradezu übereifrig ans Leben klammert, gibt sich Günter desillusioniert und verliert sich in Unmut, Empörung und Selbstmitleid: Während sie nicht zur Ruhe kommt, will er einfach nur hier herumsitzen. Zwischen beiden brodelt es längst unterschwellig, mitunter eskaliert es in giftiger Grantelei. Dazu kommt noch, dass beide zunehmend vergesslich werden. Als Kumpel Heinz (Kurzauftritt Konstantin Wecker) Günter zwei Pillen zukommen lässt, deren Einnahme verlorene Erinnerungen zurückholt, bereiten sich die zwei verzankten Liebenden einen ganz besonderen Hochzeitstag.
Schon wieder liefert Rainer Kaufmann, seit „Stadtgespräch“ von 1995 gestandener Film- und Fernsehregisseur, ein Kammerspiel. Ein Boulevardstück, oder besser: ein Science Fiction-Boulevardstück, denn die Pillen, die das Paar zurück ins Leben holen, die gibt es leider (noch) nicht. Und weil die Erinnerungen sich auf die Zeit nach dem ersten Date vor fünf Jahrzehnten beschränken, wäre es für einen anderen Film gewiss reizvoll, noch weiter zurück zu gehen: zurück in die Erinnerung eines Kindes, eines Kleinkindes, eines Embryos. Doch das wäre ein anderer Film für eine andere Zielgruppe. Hier stemmen Senta Berger (82) und Günther Maria Halmer (81) ein Zwei-Personenstück, das sein anvisiertes älteres Publikum wunderbar abholen dürfte.
Ein Drama, das am Anfang noch etwas holprig und gestelzt daherkommt, wenn mit Nachbarshund und, haha: schwäbelndem marokkanisch verwurzeltem TV-Techniker irrelevante Nebenschauplätze aufgemacht werden und sich die beiden Hauptfiguren in einer Tour anfrotzeln. Dann aber, als die Pillen geschluckt sind und erste ferne Erinnerungen zurückkommen, wechselt „Weit du noch“ spürbar seine Gangart und löst den anfänglich seichten Humor und manch plumpe Zweideutigkeit durch Tiefgang und Ernsthaftigkeit ab. Die Charaktere gewinnen spürbar an Profil, die zwei Akteure agieren zunehmend gelöst. Kaufmann kriegt die Kurve – und wie: Die gewonnene Erinnerung wird Motor eines Dialogs, der die Erwartung ans Leben diskutiert, das Verhängnis des nicht Ausgesprochenen, die Angst vorm und die Ansprüche ans Leben. Vergessen, so stellt sich bald heraus, sind nicht mehr nur Erinnerungen an Erlebtes. Vergessen sind auch die Identität, Träume, Versprechen, die Zweisamkeit, das Miteinander. Das Wir. Kaufmann erzählt gemeinsam mit Drehbuchautor Martin Rauhaus („“Familienfest“, „Und wer nimmt den Hund?“) von der geistigen Bewahrung des eigenen Lebens. Des Glücks. Und von der Ehrlichkeit – dem Fundament der Zweisamkeit. Ein berührendes, ehrliches Drama, das mit steigendem Alter schmunzelnd Wiedererkennungswert bietet.
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