„Hoy, hoy, hoy ...“ singen ein paar Kasatschock tanzende Männer –, und schon rollt ein mit „Heu“ beladener Wagen über die Bühne. Dieser – oft wie beiläufig eingestreute – Wortspiel-Humor ist ein Markenzeichen der hierzulande etwas in Vergessenheit geratenen englischen Comedy-Truppe. Aber spätestens, wenn man „Spamalot“, die Musical-Fassung ihres Kultfilms „Die Ritter der Kokosnuss“ gesehen hat, wird man zum Fan der Monty Pythons. Der „Erzähler“ Alfred Biolek, der die Truppe in den 70er Jahren für das deutsche Fernsehen entdeckt hatte, entführt das Publikum allabendlich ins England des Jahres 932 n. Chr. Das Ballett versteht aber erst mal „Finnland“ statt „England“ (was im Deutschen natürlich nicht so verwechselbar klingt!) und hebt zu einem nordischen Volkstanz an. „Bio“ räuspert sich, die finnischen Kulissen fallen zusammen – und aus dem typischen, englischen Nebel heraus erscheint König Arthur mit seinem Knappen Patsy. Der schlägt mangels vorhandener Pferde einfach – wie der Geräuschemacher im Tonstudio – zwei Kokosnuss-Schalen aneinander. Fortan folgen wir fast wortgetreu der Filmvorlage: Arthur und die von ihm angeworbenen Ritter Sir Galahad, Sir Lancelot, Sir Bedevere und Sir Robin begeben sich auf die Suche nach dem Heiligen Gral. Der Weg dahin ist mit furzenden Franzosen, fliegenden Kühen, marxistisch angehauchten Bauern („als miese Unterschicht bin ich das Arschgesicht“), über die Aerodynamik von Zugvögeln philosophierenden Burgwachen und Rittern, die immer „nie“ sagen, gepflastert. Dann verlässt das Stück den Film und bringt die „Schöne aus dem Schilf“ ins Spiel.
Nicht ganz zufällig scheuen die Ritter der Tafelrunde Andrew Lloyd Webber wie der Teufel das Weihwasser. Und so zeigen König Arthur und seine Mannen der Welt mal, wie man auch ohne „JINKS“ (Jüdische Investitions-Kapital Spritzen) einen Musical-Knaller auf die Beine stellt. „Sind hier ein paar Juden im Saal?“, fragt König Arthur – und man spürt förmlich, wie das Publikum den Atem anhält. Doch dann holen die Mädels mit dem Davidstern auf ihren Glitzerkostümen das Publikum wieder in die Musical-Seligkeit zurück. Die Beine werden geschwungen wie im „Moulin Rouge“, es wird gesteppt, und scheinbar gab es schon im Mittelalter „Cheer Leaders“. Sir Lancelot entdeckt, dass er schwul ist und die „Schöne aus dem Schilf“ beklagt sich, dass sie zu wenig Text hat. Dafür bekommt sie happy-endlich König Arthurs Hand und wir eine mitreißende Show zum Mitsingen: „Always look on the bright side of life“.
Regisseur Lutz E. Selig hat die Original-Broadway-Inszenierung des bekannten Hollywood-Regisseurs Mike Nichols (u.a. „Die Reifeprüfung“, „Hautnah“) kongenial für die deutsche Bühne eingerichtet. Und das 9köpfige Orchester unter dem Dirigat von Heribert Feckler bringt die eingängige Musik von Eric Idle und John Du Prez so richtig zum Swingen. Nicht zuletzt spielt, tanzt und singt das großartige Ensemble wie aus einem Guss, so dass man keinen von ihnen hervorheben mag. Sie erscheinen wie die “Monty Python“ als eingeschworene Truppe.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Zwischen Musical und Komödienstadl
„Bikini Skandal“ an der Kölner Volksbühne – Musical in NRW 08/24
Die Seele geraubt
„Hello Dolly“ am Gelsenkirchener MiR – Musical in NRW 04/24
Nicht gerade familientauglich
„Frankenstein Junior“ an der Oper Bonn – Musical in NRW 10/23
Wohliges Gruseln im Bergischen
„Addams Family“ im Wuppertaler TiC-Theater – Musical in NRW 06/23
Alle Jahre wieder
„Rocky Horror Show“ am Capitol Theater – Musical in NRW 06/22
Abschied von einer Diva
„Sunset Boulevard“ in Krefeld – Musical in NRW 04/22
Zwei Flops und ein Volltreffer
„Der Mann von La Mancha“ am Theater Münster – Musical in NRW 03/22
Schillernde Vielfalt
Endlich wieder Musicals auf den NRW-Bühnen – Musical in NRW 01/22
Hagen liegt am Broadway
Monty Pythons „Spamalot“ am Theater Hagen – Musical in NRW 11/21
Nur ein paar (Stepp-)Schritte vom Broadway entfernt
„Chicago“ an der Bonner Oper – Musical in NRW 10/21
Sting kann auch Musical
Deutsche Erstaufführung von „The Last Ship“ in Koblenz – Musical in NRW 09/21
Hippie-Flower-Power-Rock
„Hair“ auf Burg Wilhelmstein bei Aachen – Musical in NRW 07/21
Das Musical-Phänomen schlechthin
„The Fantasticks“ in Bad Godesberg – Musical in NRW 07/21
Schlager sind Trumpf
Fetzige Jukebox-Musical in Köln und Aachen – Musical in NRW 04/20
What a Feeling
„Flashdance“ – Vom Kultfilm zum Musical-Hit – Musical in NRW 03/20
Nicht totzukriegender Musical-Klassiker
„My Fair Lady“ am Grenzlandtheater Aachen – Musical in NRW 02/20
Musicals vom Feinsten
„Chicago“ in Koblenz und „I Love You…“ in Aachen – Musical in NRW 01/20
Vom Filmklassiker zum Broadway-Hit
„Pretty Woman“ feiert seine europäische Erstaufführung – Musical in NRW 12/19
Broadway unverfälscht – aber nicht jugendfrei
„The Book of Mormon“ als einziges deutsches Gastspiel in Köln – Musical in NRW 11/19
Jecker gehts nimmer
Travestie-Musical in Köln, „Blues Brothers“ in Wuppertal – Musical in NRW 11/19
Duell der Duos
„Sherlock Musical“ und „West Side Story“ – Musical in NRW 10/19
Erinnerungen an Kino-Glücksgefühle
„Doktor Schiwago“ auf der Freilichtbühne und ein Tipp fürs Heimkino – Musical in NRW 09/19
Broadway unterm Sternenzelt
Freiluft-Musicals warten mit Überraschungen auf – Musical in NRW 08/19
Dem Broadway ganz nahe
Musical-Highlights in Düsseldorf und Köln – Musical in NRW 07/19
Die „Fleischwerdung“ der guten Laune
„Singin‘ in the Rain“ in Wuppertal – Musical in NRW 06/19