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Fragen der Zeit      Zukunft JETZT

POLITIK-LABOR – Ein Thema, drei Schwerpunkte: Aufmacher, Interviews, Europa-Artikel, Glosse und Lokaltexte aus Köln, Wuppertal und dem Ruhrgebiet

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Composing: Desiree Gorges
 

Friedenswissen/Waffenlos glücklich
Intro (Link zur Langfassung)

„Kriegstüchtig“ müsse Deutschland bis 2029 sein, sagte Verteidigungsminister Pistorius (SPD) vor etwas mehr als einem Jahr. Das Wort erregte eher verhaltenen Anstoß. Mittlerweile ist das Streiten um Aufrüstung, um die Wiederkehr des Wehrdienstes zum politischen Tagesgeschäft geworden – und das Jahr 2029 scheint heute vielen eine naive, verhaltene Zielsetzung. Russlands Angriff auf die Ukraine, der weiterhin offene Ausgang des Kriegs, Trumps USA und neue Staatenbündnisse mahnen zur Eile. Pazifistische Positionen, die „alte“ Friedensbewegung, haben es schwerer denn je. Auch Pazifisten können indes einräumen, dass ein Staat verteidigungsfähig zu sein hat – über das Wie lässt sich allerdings auch dann streiten, genauso wie über weitere Verhältnismäßigkeiten: Wenn Geld für Rüstung „einfach so“ zur Hand ist, warum dann nicht gleichermaßen auch dafür, ebenfalls sicherheitsrelevante soziale und ökologische Probleme zu überwinden? Das Monatsthema fragt nach vernachlässigten Perspektiven auf Krieg und Frieden – abseits von Aufrüstung und einer Militarisierung der Gesellschaft.

Friedenswissen/Waffenlos glücklich
Teil 1: Gesellschaft

Gewaltfreier Widerstand ist seit der Antike belegt und durch die Geschichte hindurch erfolgreicher gewesen als bewaffneter Widerstand. Als Soziale Verteidigung (SV) ist ein Konzept bekannt geworden, das Alternativen zur kriegerischen Auseinandersetzung aufzeigt – gerade dann, wenn Angreifer auf dem Vormarsch sind oder sie das Land bereits besetzt haben. Widerstand wird nicht als Aufgabe für Spezialisten verstanden, sondern als gesamtgesellschaftliche Kompetenz und Aufgabe. Besonders Kooperationsverweigerung soll die Machtbasis von Besatzern und Putschisten zersetzen, Infrastruktur und Grundversorgung lahmlegen. Auch öffentliche Rede, Streiks oder Untergrundregierungen zählen zu den Mitteln der SV. Die Annahme ist nicht, dass Einzelne damit schadfrei aus der Sache herauskommen – SV schützt nicht zwangsläufig vor Gewalt. Das gilt aber in mindestens gleichem Maß für die aktive kriegerische Auseinandersetzung. Nachbarschaftliche Netze, Demos und auch das Einüben, Aggressoren anzusprechen, zählen zu Mitteln, SV in Friedenszeiten aufzubauen.

Friedenswissen/Waffenlos glücklich
Teil 2: Technik

Das Internet ist ein Paradebeispiel: Eine militärische Erfindung, die – nicht militärisch genutzt – Gesellschaften völlig verändert hat. Die Grenzen zwischen militärischer und ziviler Nutzung sind keineswegs trennscharf. Ein älteres Paradebeispiel: Atomtechnik. So kann die gleiche Technik, die Schäden anrichten soll, auch zur Aufklärung von Schäden genutzt werden und so Betroffenen helfen. Das Internationale Rote Kreuz bezieht bspw. Satellitenbilder, die mittels KI und im Abgleich mit UN-Daten ausgewertet werden, um im Krieg verwüstete Flächen zu analysieren – eine Arbeit, die keine manuelle Auswertung der Daten ersetzt, sie aber entscheidend ergänzt und erleichtert. Die Weltmächte selbst waren übereingekommen, dass nicht einfach Abschreckung durch Rüstung, sondern zugleich Abrüstung ein unverzichtbarer Beitrag zur Friedenssicherung ist. Eine Einsicht, die mittlerweile weitgehend verdrängt scheint. Kann das eine atomare Aufrüstung beschleunigen? Kann das dazu führen, dass auf Warnungen vor dem Missbrauch neuer Techniken weniger gehört wird?

Friedenswissen/Waffenlos glücklich
Teil 3: Bildung

Ein gutes Miteinander zu lernen, sollte Zuhause beginnen, sich im Kindergarten fortsetzen – und möglichst ein Leben lang andauern. Friedenserziehung gehört zur demokratischen Gesellschaft und sollte Teil der Persönlichkeitsentwicklung sein. Sie umfasst ein Wissen ziviler wie militärischer Konflikte sowie konstruktive Formen der Auseinandersetzung und Intervention. Friedensbildung ist eingegangen in die UN-Ziele nachhaltiger Entwicklung, deren Leitlinien so begrüßenswert sind wie ihre „Realität“ vielfach erschütternd ist. Das Eintreten für Frieden setzt offenbar auch Frusttoleranz und Resilienz voraus. Der Mangel an Bereitschaft, andere Meinungen zu ertragen, läuft dem zuwider. So verdrängt eine gefährliche gesellschaftliche Entwicklung ausgerechnet die Fertigkeiten, die es braucht, ihr entgegenzuwirken: Diskurs, Diplomatie, Kompromiss. Private Beziehungen, öffentliche Auseinandersetzungen, Wahlkämpfe, internationale und globale Beziehungen hängen stark miteinander zusammen – wenngleich sich Weltpolitik natürlich nicht in Pädagogik, Psychologie oder ehrlichem Bemühen erschöpft.

Friedenswissen/Waffenlos glücklich
Teil 4: Das Projekt „Education for a Culture of Peace“ – Europa-Vorbild: Zypern

Seit fast fünfzig Jahren trennt die Pufferzone von Nikosia das alltägliche Leben in Zypern, doch Kinder lernen nun, diese unsichtbare Mauer zu überwinden. Im Rahmen des Projekts „Education for a Culture of Peace“ verwandelt sich diese ehemalige Konfliktlinie in ein Lernfeld des Friedens. Das Programm wurde als pädagogisches Experiment im Jahr 2014 von zypriotischen Pädagogen, Psychologen und Friedensexperten initiiert und wird von europäischen und internationalen Organisationen unterstützt. In kunstpädagogischen Workshops, Spielen und Dialogübungen lernen Kinder und Jugendliche unterschiedlichen Alters Perspektiven zu wechseln, Konflikte zu benennen und auf Augenhöhe zu verhandeln. Nach jedem Workshop kehren sie mit Aufgaben in ihre Schulen und Familien zurück. So werden sie zu „Friedensbotschaftern“, die über ihre Erfahrungen berichten und neue Gespräche anstoßen. Der Rückkopplungseffekt ist enorm. Jedes Kind, das Vorurteile abbaut, beeinflusst sein Umfeld. So entsteht, was viele Erwachsene längst aufgegeben hatten, eine gemeinsame Lernsprache des Friedens.

Friedenswissen/Waffenlos glücklich
Teil 5: Glosse – Brauerheer statt Bundeswehr

Trat ein junger Mann im Jahr 2000 als Schulabgänger bereitwillig den Wehrdienst an, gehörte er einer Minderheit an, einer Spezies, deren Aussterben von vielen beschrien, für manche schon besiegelt war. Die überwältigende Mehrheit der eben der Pubertät entwachsenen Männer verdingte stattdessen einen Ersatzdienst, den sogenannten Zivildienst: Diesen sahen sie weniger als sinnstiftenden Dienst an der Zivilgesellschaft an, sondern eher als weniger sinnentleert als den Dienst an der Waffe. Seit jenem Jahr 2000 hat sich der Militäretat in Deutschland mehr als verdreifacht. Im gleichen Zeitraum ist der Bierkonsum in Deutschland um mehr als ein Viertel gesunken. Im Internet, gehen Videos viral, die Menschen im wehrpflichtfähigen Alter zeigen, wie sie Bier auf äußerst effiziente Art und Weise konsumieren: mittels Biertornado. Diese jungen Menschen wollen den Status quo von 2000 wiederherstellen: weniger Militär, mehr Bier. Brauerheer statt Bundeswehr. Warum Zapfenstreich, wenn es noch zum Zapfen reicht?

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