Wünsche, Pläne, Träume auf später verschieben, auf die Zeit, wenn die Kinder groß sind oder die Rente durch ist, das kommt für Heidi Depper nicht mehr in Frage. Eine Krebserkrankung machte ihr die Endlichkeit des Lebens bewusst. „Für mich war immer klar, dass der Tod zum Leben gehört und jeder Augenblick kostbar ist“, erzählt sie: „Allerdings verliert man das doch irgendwann aus dem Blick und gerät in das Hamsterrad.“ Beruf, drei Kinder, ein altes Haus und ein Mann, der beruflich sehr eingespannt war, das alles ließ wenig Raum für Gedanken über das Leben und den Tod. Zur Entspannung begann sie, für Marathonläufe zu trainieren: „Das war die Zeit, in der ich Ruhe fand.“ Für solchen Alltagstrott bedeutete die Diagnose Krebs eine deutliche Zäsur. Dass sie sich für eine dreimonatige Auszeit in Asien entschloss und aufmachte, buddhistische Klöster, den Himalaya, Nepal, Indien und Sri Lanka kennenzulernen, hatte mehrere Gründe: „Ich war immer schon sehr interessiert an Asien. Dazu kam, dass meine Krankheit für Freunde und Bekannte eine Provokation war. Manche wandten sich ab, andere überhäuften mich mit Ratschlägen.“ Weil – darüber redet Heidi Depper ohne Tabus – „Krebs bedeutet, man muss sterben lernen“. Sie begann, sich mit dem Tibetanischen Totenbuch zu befassen und wählte ein buddhistisches Kloster in Nepal als erste Station ihrer Reise.
„Krebs bedeutet, man muss sterben lernen“
Anfang Februar flog sie nach Katmandu und verbrachte zwölf Tage mit den strengen Ritualen des Klosterlebens. „Um Viertel vor sechs war Wecken, danach gab es eine Tasse Tee und eine erste Stunde Meditation.“ Schweigegebote, Meditationen und der Austausch mit den Mönchen vermittelten ihr das zentrale Anliegen des Buddhismus: „Ebenso wie im Christentum geht es darum, das Leid der anderen zu verringern“. Ihre Bilanz: „Ich bin als buddhistische Christin zurückgekommen.“ Mit einer Freundin wanderte sie danach durch den Himalaya, stieg hoch zum Everest Base Camp und blieb fünf Wochen auf dem Dach der Welt: „Alles relativiert sich da oben, weil die Berge so groß und ewig sind. Die Dinge bekommen einen ganz anderen Stellenwert und man fühlt sich angesichts dieser Größe ganz unbedeutend.“ Durch Teile Indiens und Sri Lankas tourte sie im Anschluss noch ein paar Wochen, immer dicht an den Menschen: „Diese Nähe ist mir wichtig“, sagt sie. „Der Tod ist dort allgegenwärtig, gehört zum Alltag der Menschen und es gibt eine große Natürlichkeit des Umgangs, ganz anders als bei uns, wo der Tod die Menschen einfach sehr ratlos macht.“ Mit vielen wertvollen Erfahrungen ist sie zurückgekehrt, vor allem mit einem sehr klaren Gefühl für die Gegenwart: „Einer der Lehrer dort hat es uns deutlich vermittelt: Die Vergangenheit ist vorbei, die Zukunft ungewiss. Das einzige, was ihr habt, ist der Augenblick.“
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