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Foto: Kerstin Brandt-Heinrichs

Die Kuh ist der Clou

30. Januar 2014

„Into the Woods“: Sondheims bitterböser Ausflug ins Märchenland – Musical in NRW 02/14

Was Andrew Lloyd Webber für den Mainstream ist, ist Stephen Sondheim für das Arthouse-Musical. Wie schwer es Sondheim hierzulande hat, zeigte im letzten Herbst ein Experiment der UCI-Multiplexe. Statt einer Oper aus der „Met“ übertrug man eine Broadway-Produktion seines „Merrily We Roll Allong“ auf die Kino-Leinwand, vor der in Köln-Hürth gerade einmal ein Dutzend Musicalfans saßen. Solche Sorgen muss sich das Grenzlandtheater, die zweitbest-besuchte Privatbühne Deutschlands, nicht machen: Für „Into the Woods“ mussten sogar Zusatzvorstellungen anberaumt werden.

In Sondheims schwarz-humorigem, burleskem Musical vermischt sich das Figuren-Arsenal der Grimmschen Märchen mit dem des angelsächsischen „Hans und die Bohnenstange“. Nach dem Happy-end zur Pause (!) geht es im 2. Akt tiefenpsychologisch in die Vollen: „Sigmund Freud, ick hör dir trapsen!“. Das Glück zerrinnt, die Beziehungen zerbrechen, Untreue und Tod kehren ein – bis die Überlebenden die wahren Werte des (Zusammen-)Lebens erkennen.

Das Opening „Ab in den Wald“ gibt gleich den choreographischen Stil von Marga Renders vor, die mehr auf elegant-flüssige Bewegungsabläufe denn auf ausladende Schrittkombinationen setzt. Im, von Matthias Winkler wie ein Pop-up-Kinderbuch gestaltetem, genialen Bühnenbild, in dem die Bäume aufgeklappt werden und sich so in Rapunzels Turm, eine Bäckerstube oder Aschenputtels Küche verwandeln, entwickelt sich ein heiter-ironisches, manchmal auch boshafte Spiel mit den Märchen-Klischees und allzu menschlichen Verhaltensweisen. Regisseur Ulrich Wiggers hat das ursprünglich dreistündige Werk geschickt gekürzt und damit so manche Redundanzen vermieden, die das Stück manchmal ein wenig auf der Waldboden-Stelle treten lassen. So kommt, selbst im zweiten, etwas moralisierenden Teil, keine Langeweile auf. Das ist natürlich auch dem Ensemble zu verdanken, das Wiggers aus einer gelungenen Mischung aus erfahrenen Musical-Darstellern und Newcomern zusammengestellt hat.

Ab und an fehlt manchem der jungen Talente zwar noch die Ausgereiftheit, um die Wandlung der, im ersten Akt noch karikaturhaft angelegten, Figuren zu mehr menschlicher Tiefe, bis in die letzte Nuance auszufüllen. Aber ihre Spielfreude lässt diesen kleinen Wermutstropfen nicht allzu bitter „schmecken“. Wunderbar, auch gesanglich, füllt Samuel Schürmann seinen „Bäcker“ aus: Da bekommt man richtig Lust, gleich am nächsten Tag seine eigene Sondheim-CD „Sunday“ zu kaufen. Christian Fröhlich gibt nicht nur mit wohlig-gruselnder Erotik den bösen Wolf, sondern treibt das Publikum auch mit seinen virtuellen Reitkünsten zum Szenen-Applaus. Karoline Goebel, der die Aschenputtel-Rolle „passt“ wie der Schuh, singt mit solch einer anrührenden Sanftheit „Ich möchte ...“, dass man ihr sofort jeden Wunsch erfüllen würde. Und die Pantomime-Künste der Kuh, die von einer in einem Ganzkörperkostüm steckenden Statistin „gesteuert“ werden, stehlen den Profis fast die Show. „Ab nach Aachen“ möchte man dem Musical-Fan hier zurufen!

Infos und Tickets: www.grenzlandtheater.de

Rolf-Ruediger Hamacher

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