Als ich vor Jahren meinen Sohn zum ersten Mal mit nach London nahm, um ihn an meiner Musical-Leidenschaft teilhaben zu lassen – natürlich in der Hoffnung, sie würde sich auch auf ihn übertragen – wollte ich nach einer Woche Musical-Marathon wissen, welches ihm nun am besten gefallen habe. „Me and my Girl“ antwortete er ohne Zögern. „Und warum?“, fragte ich erstaunt, hatte ich doch eher mit einem der spektakulären Webber-Musicals („Phantom in der Oper“, „Cats“) oder einem der großartigen Revivals wie „Oliver“ oder „Finians Rainbow“ gerechnet. „Wegen des langen Mantels“, war die verblüffende Antwort. Und tatsächlich setzte dieser gekonnt platzierte und dann ausgiebig ausgespielte Gag dem Stück die Krone auf: Man hatte der Londoner „Vorort-Pflanze“ Bill, einem unstandesgemäßen „Fehltritt“ und nun Erben eines steinreichen Adeligen, einen purpurroten, über die ganze Bühne wallenden, königlichen Mantel umgehangen, in den er sich natürlich ständig verhedderte. Diese Pointe kam nun in Georg Köhls Inszenierung von „Me and my Girl“ am Mönchengladbacher Theater im Nordpark im wahrsten Sinne des Wortes zu kurz. Weder erreichte der Umhang jene aufsehenerregende Länge, noch verstand es Luis Lay (Bill), die nötige Komik aus dem Umgang mit dem Requisit zu schlagen. Sicherlich ist vieles auch der abgespeckten Bühne im Ausweichquartier des Stadttheaters geschuldet, die Bühnenbildner Peter Werner zu schlichten Jugendstil-Schiebeelementen zwang, und auf der es eng wurde, wenn das gesamte Ensemble im Einsatz war. Aber auch die Entscheidung der Regie, die des schon 1937 entstandenen Musicals von Noel Gray (Musik) und L. Rose und Douglas Furber (Buch und Liedtexte) hat dem Stück nicht gut getan. Bills Unterschicht-Freunde kommen als Punks daher, und seine Freundin Sally findet Bills neues Zuhause natürlich „krass“, „geil“ und „cool“. Vielleicht will man damit junge Zuschauer ins Theater locken? Aber der Schuss geht nach hinten los, weil er dem Musical seine spezifische Atmosphäre nimmt, dessen Musik eher noch der Operette als dem Broadway-Musical verpflichtet ist. Da wirkt es schon ein bisschen unfreiwillig komisch, wenn Bills punkige Freunde den gemütlichen „Lambeth-Walk“ schieben. Immerhin bleiben einem die eingängigen Melodien Gays lange im Ohr, weil sie das Orchester unter der Leitung von Kenneth Duryea mit Inbrunst intoniert und die Darsteller sie mit Sanges- und Spielfreude über die Bühne bringen. Unter ähnlichen „Bedingungen“ hat auch die „Grease“-Inszenierung am Düsseldorfer Capitol-Theater (tgl. außer Mo) zu leiden. Auch hier muss die Inszenierung mit einem auf Tournee-Verhältnisse zurechtgeschnittenen Bühnenbild zurechtkommen, das aber durch das stimmungsvolle Lichtdesign ein wenig aufgefangen wird. Leider verfällt auch der Londoner Theater- und Musical-Regisseur David Gilmore der Versuchung, das Stück zeitgeistmäßig aufzupeppen. Seine Inszenierung kommt mit den ständig die Hüften anzüglich kreisenden Darstellern und den pubertären Gags allzu „oversexed“ daher. Das trübt etwas die gute Laune, die Jim Jacobs und Warren Caseys Rock’n‘Roll-Musical eigentlich verbreitet. Schon 1972 mit 3.388 Vorstellungen en suite ein Renner am Broadway und 1978 genauso erfolgreich mit John Travolta und Olivia Newton-John verfilmt, macht es auch heute noch Spaß, den Kids der Rydell High School bei ihrem musikalischen Liebesreigen zuzusehen und zuzuhören, zumal das „Grease“-Tournee-Ensemble mit Inbrunst bei der Sache ist und man die Lieder dankenswerter Weise im Original belassen hat.
www.theater-krefeld-moenchengladbach.de I www.capitol-theater.de
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