Manche Kritiker hatten den Schweizer Christian Münchinger und sein Quartett unterschätzt. So viel lässt sich gut zwei Jahre nach dem Erscheinen ihres letzten Albums „The Glance“ festhalten. Der Ansatz, zurück in die 1960er Jahre zu gehen, jene Phase zwischen dem Hard-Bop und dem sich bereits andeutenden Free Jazz neu auszuloten, zeugte für sie nicht von künstlerischer Finesse.
Wie haltlos solche Einwände sind, zeigte das Christian Münchinger Quartett am 18.1. im Dortmunder Domicil. Mit dem live-Erlebnis dieses Jazzstils werden Namen wie Sonny Rollins, John Coltrane oder Eric Dolphy verbunden. Es hält einem vor Augen, welche Möglichkeiten die Befreiung aus dem Rhythmus des Swing und der Ekstase des Be-Bop in sich birgt.
Zwar verbleiben die Kompositionen Münchingers oft in den gleichen Abläufen aus Thema, Bridge und Solo. Aber besonders die Solo-Einlagen der vier Musiker weisen schnell eigene Melodiedimensionen auf. Christian Stiefel am Klavier experimentiert dabei mit den Möglichkeiten der Rhythmik. Er setzt phrasenweise Synkopen in seine Melodien und bricht dann alles wieder in pulsierende Block-Akkorde. Es ist eine Tour de Force, die er mehrmals bietet. Darauf folgt Christian Münchingers warmer Saxophon-Sound, der sich wie ein Blitzableiter in die aufgestaute Spannung stellt. Beeindruckend waren auch der Spielwitz Pius Baschnagels, insbesondere bei den von Bossa-Nova angehauchten Stücken wie „Fechado pra balanco“ und „Aglaja“.
Münchinger setzt in seinen Solis gegensätzliche Impulse dicht aneinander. Manchmal hält er einen Ton so lange, dass es scheint, als könne er von ihm nicht genug bekommen. Dann bricht er aus, sprintet die Tonleiter rauf und runter und kreiert damit eine fesselnde Intensität. Dabei verlieren diese Ausbrüche, auch dank Drummer Pius Baschnagel und Bassist Andreas Zitz, nie die Qualität eines Grooves.
Das Publikum in der gut gefüllten Jazz-Bar des Domicils blieb mit seinem Applaus zunächst zurückhaltend, konnte aber ab dem zweiten Teil des Konzerts mit Up-Tempo-Stücken wie „Rent Party“ oder George Gershwins „Rhythm Change“ wach gespielt werden. Was es geboten bekam, war jedenfalls keine museale Reminiszenz an ein großes Jazz-Jahrzehnt, sondern eines der besten Jazz-Quartette der Alpenrepublik.
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