Nachdem die sogenannten Event-Musicals ihr Pulver weitgehend verschossen haben, versucht man mit „Lied-Revuen“ dem Genre neue Reize abzugewinnen. Nach Queen („We will Rock you“) gaben ABBA („Mama Mia“) und Udo Jürgens („Ich war noch niemals in New York“) erfolgreich ihre musikalischen Visitenkarten in den Musical-Palästen der Republik ab. Die kleineren (städtischen) Bühnen konterten mit Edith Piaf- oder Elvis-Abenden.
Nun findet wieder so ein „Wettstreit“ statt: „Ich will Spaß“ im Essener Colosseum-Theater setzt auf die 80er Jahre und die Hits der Neuen Deutschen Welle. Das Theater Krefeld hält mit „Johnny Cash – The Beast in Me“ dagegen. And the Winner is: Die Country-Legende aus Kingsland, Arkansas. Denn wenn Joachim Henschke, ganz in schwarz gekleidet, die Szenerie einer verrotteten Tankstelle an der Route 66 betritt, dann füllt er mit seiner Bühnenpräsenz sofort den Raum. Obwohl äußerlich und stimmlich an ihm nichts an Johnny Cash erinnert, versteht er es, diese Figur zum Leben zu erwecken. Als gealterter Johnny Cash blickt er zurück auf die wechselhaften Stationen dessen Lebens und Wirkens, die als „Schlaglichter“ auf der Bühne erscheinen. Die großartigen Esther Keil (als seine geliebte Frau June und seine Mutter) und Tobias Wessler (in fünf verschiedenen Rollen) geben diesen „Miniaturen“ ihr schauspielerisches Profil. Willi Haselbeck und Olaf Scherf begleiten musikalisch kongenial das auch gesanglich überzeugende Trio. Joachim Henschkes raues „I walk the Line“ berührt uns dabei genauso wie Esther Keils klare a-capella-Stimme. Und Matthias Kniesbecks präzis-stringente Inszenierung sorgt dafür, dass diese Hommage immer die dramaturgische Spannung zwischen Nostalgie und (Bühnen-)Realität hält.
Dieses künstlerische Ineinandergreifen fehlt bei „Ich will Spaß“, von dem letztlich nur das geniale Bühnenbild von Christoph Weyers – ein gigantischer „Zauberwürfel“, in dessen dreistöckigem Innenleben sechs Musiker und das 21köpfige Ensemble „wohnen“ – im Gedächtnis haften bleibt. Der Rest erschöpft sich in einem uninspiriert geschriebenen (Pieter van de Waterbeemd) und inszenierten (Carline Brouwer) Beziehungs-Reigen, in den die Songs der „NDW“ mehr oder weniger passend integriert werden. Dass die Charaktere eindimensional bleiben, liegt vor allem an der Fehlbesetzung der beiden Hauptrollen mit Romina Langenhan und Leila Vallio. Verwechseln sie doch Singen mit Schreien, und Spielen mit Herumzappeln. Und auch Anthony van Laast passt sich mit seiner eher an Aerobic denn an Musical-Tanz erinnernden Choreographie dem unausgegorenen Konzept an. Immerhin: Die Nena-, Markus-, Extrabreit-, UKW- und Spider Murphy Gang-Fans im Publikum lassen sich bereitwillig zum Massen-Karaoke verführen. Stimmung gut – alles gut?!
Theater Krefeld: Johnny Cash – The Beast in Me 30.12./3./4./14./18.1./26.2./4./8./15./17./19.3.2009 I Karten: 02151 80 51 25
Colosseum Theater Essen: Ich will Spaß Do- Sa 20 Uhr, Sa auch 15 Uhr; So 14.30 und 19 Uhr I Karten: 01805 44 44
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