„Nestlé Pure Life – Das Mineralwasser zum Familienpreis, (…) in jeder Lebenssituation der perfekte Begleiter“, so bewirbt der Konzern Nestlé auf seiner Homepage seine weltweit meistverkaufte Wassermarke. Die Möglichkeit, einen Begleiter in jeder Lebenssituation für ein paar Euro zu haben, finde ich toll. Und, dass dieser Begleiter von einer Firma gestellt wird, die sich auf ihrer Homepage so verantwortungsvoll äußert. „Wasser als Menschenrecht“, liest man.
Unter dem Stichpunkt „Nestlé Waters“ wird das hohe Engagement um eine gute Nachbarschaft mit den Gemeinschaften rund um die eigenen Fabriken betont. Steht doch da geschrieben, dass im Zuge der Verantwortung und Nachbarschaftsliebe im November 2015 in der Nähe zum Werk Sheikhupura in Pakistan eine Wasseraufbereitungsanlage für 5000 Bewohner des Dorfes Bhati Dilwan eröffnet wurde. Und da wird man stutzig. Sheikhupura ist ein Begriff. War es doch eben diese Fabrik, die durch Tiefbohrungen den Bewohnern der umliegenden Dörfer das Wasser abgrub. Petitionen blieben unbeantwortet.
War also die Eröffnung der Wasseraufbereitungsanlage das Glattbügeln eines knitterigen Images? Ich lese weiter. Nestlé stellt Wasser über eine Hilfsorganisation in humanitären Notsituationen. Der Konzern ist der weltweite Marktführer in puncto Flaschenwasser. Er erwirbt sich weltweite Nutzungsrechte und ist Spitzenreiter bei der Privatisierung eines Guts, das für alle Menschen dieser Welt frei zugänglich sein sollte. Offenbar zapft Nestlé gerade dort Wasser ab, wo es besonders knapp ist. Abgefüllt wird es von einer Mittelschicht konsumiert. Die Ärmeren haben weniger Zugang zum Wasser und können sich das Flaschenwasser nicht leisten. Die Heldentat, Wasser in humanitären Notsituationen zur Verfügung zu stellen, während man anderenorts Menschen eben dieses wegnimmt, mag sich mir nicht so richtig erschließen.
Ad absurdum geführt wird die „humanitäre Hilfe“ Nestlés vor dem Hintergrund einer Entschädigungsklage des Konzerns gegen den Staat Äthiopien. 1975 hatte das Land eine Tochtergesellschaft von Nestlé verstaatlicht, 2002 verlangte man also 6 Millionen Dollar Entschädigung von einem Staat, der unter einer gewaltigen Dürreperiode litt. Durch scharfe öffentliche Kritik ließ sich Nestlé auf eine Summe von 1,5 Millionen ein und versprach, 750.000 Dollar in das Corporate Partnership Program des UNHCR zu investieren um eine Pipeline zu legen, die Flüchtlinge mit Trinkwasser versorgt. 2006 kündigte Nestlé die Mitgliedschaft an diesem Projekt auf, um ein Jahr später einen Film im eigenen Mediacenter hochzuladen, der eben mit diesem Projekt warb. Humanitär? Fehlanzeige.
Spätestens an diesem Punkt hat sich der Konzern selbst die Fürsorgeohrfeige verpasst. Und es gibt viele weitere Negativmeldungen zu Nestlé dieser Art. Weitere Ausführungen auf der Homepage über den Schutz von Quellen und Wasservorkommen, die sich dann bei genauerem Hinschauen als „Erhaltung (...) dervon uns genutztenQuellen (…)“ entpuppen, überfliege ich nur noch und fasse zusammen: Nestlé nimmt Wasser, um Wasser zu produzieren.
In Privatisierungswut pumpt es das Wasser gerade dort, wo es anderen Menschen dann fehlt, die es dann aber wiederum in Plastikflaschen kaufen können, insofern sie die finanziellen Mittel dazu haben. Haben sie die Mittel nicht, zahlen Sie einen wesentlich höheren Preis als den bereits erwähnten „Familienpreis“. Ich fülle also meine Sportflasche mit Leitungswasser, packe sie in meine Tasche und bin froh damit einen Begleiter in allen Lebenssituationen zu haben, der anderen nicht schadet.
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