Die Deutschen verbrauchen durchschnittlich 121 Liter Wasser pro Kopf pro Tag. Dagegen kämpfen die Menschen in vielen Regionen der Welt heute mit Wassermangel. Im Nahen Osten, Teilen Afrikas, Zentralasien und einigen Teilen Australiens ist man in puncto Wasser jetzt schon an einem kritischen Punkt angekommen. Aber auch Spanien oder Kalifornien haben mit Wassermangel zu kämpfen. Die derzeit wohl schlimmste Krise erlebt Afrika. Durch das Wetterphänomen El Niño, bei dem sich warme Wassermassen im zentralen und östlichen Pazifik sammeln, werden Wetterextreme ausgelöst, die sowohl Dürren als auch Überschwemmungen zur Folge haben. Südafrika, Simbabwe und Sambia leiden unter einer großen Dürre. Diese wird bis 2017 Trinkwassermangel und Missernten zur Folge haben. Und das Risiko von Wasserknappheit wird sich in der Zukunft weltweit immer mehr verschärfen. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Der Klimawandel wird sich auf die natürlichen Wasservorkommen und damit auch auf die Verfügbarkeit von Wasser auswirken. Die UN spricht von Verschiebungen in räumlich-zeitlichen Niederschlagsmustern die für eine insgesamt schlechtere natürliche Auffüllung der Wasservorkommen sorgen werden. Das ist gerade im Hinblick auf die derzeitige Übernutzung von Wasserressourcen für die Nahrungsmittelproduktion, für industrielle oder andere Zwecke fatal. Durch den zu erwartenden Temperaturanstieg wird es zu höherer Verdunstung bei Landflächen und Böden und höherer Pflanzentranspiration kommen. Die Qualität wird durch Salzwasserintrusion, dem Eindringen von Salzwasser in küstennahe Süßwasservorkommen, oder auch durch Schadstoffe, die infolge von Extremregen in Wasservorkommen gespült werden, verschlechtert. Insgesamt wird es also weniger Wasser geben. Und das bei einem Anstieg der Weltbevölkerung. Aus den derzeit 7,3 Milliarden Menschen auf der Welt werden bis zum Jahr 2030 8,5 Milliarden, bis 2050 9,7 Milliarden werden. Für das Jahr 2100 schätzt die UN die Weltbevölkerung auf insgesamt 11,2 Milliarden Menschen, die allesamt vom Wasser abhängig sein werden.
Je weniger Wasser verfügbar wird, desto größer das Risiko von Konflikten und Konfliktverschärfungen. Gerade in Gebieten mit grenzüberschreitenden Strömen oder Grundwasserleitern kommt es zu Auseinandersetzungen. Machtverhältnisse bezüglich der Kontrolle zwischen Ober- und Unteranrainern, den Zeitpunkten der Wasserbedürftigkeit und eventuelle Verschmutzung können Streitpunkte sein, wie derzeit am Ilisu-Staudamm in der Türkei, dem Rogun-Damm in Tadschikistan oder dem Don Sahong-Damm in Laos.
Da der Zugang zu Wasser die Entwicklung von Volkswirtschaften bestimmt, kann ein Wassermangel zu erheblichen Spannungen führen. Verteilungskonflikte zwischen ethnischen Gruppen oder zwischen Landwirtschaft und Industrie sind nur einige Beispiele. Ob diese Spannungen gewaltsam werden, hängt unter anderem von den politischen, innerstaatlichen Bedingungen und den besonderen klimatischen Begebenheiten von Regionen ab. Am härtesten wird die Knappheit vor allem die treffen, die auch heute schon von Mangel betroffen sind, und in denen es politische und sozio-ökonomische Problematiken gibt. Bisherige Auseinandersetzungen fanden eher auf der subnationalen Ebene statt. Kriege, die international rein um die Ressource Wasser geführt werden, sind eher unwahrscheinlich. Klar aber ist, dass Maßnahmen gegen zunehmende Wasserknappheit schon jetzt ergriffen werden müssen.
Der einsetzende Klimawandel ist kaum mehr zu stoppen, deshalb liegt der Fokus auf Anpassungsmaßnahmen, auch im Bereich Wasser. Im Rahmen des Integrierten Wasserressourcen-Managements (IWRM) werden verschieden abgestimmte Ziele in ökonomischen, ökologischen und sozialen Bereichen erforderlich. Strategien zur Erreichung dieser Ziele müssen flexibel an unterschiedliche Regionen angepasst werden. Maßnahmen wie das Auffangen und Speichern von Regenwasser, die Wiedernutzung von Abwasser und die Entsalzung von Meerwasser sollen das Wasserangebot erhöhen. In der Landwirtschaft kann Wasser durch effizientere Bewässerung und besseres Landmanagement eingespart werden. Diese Strategien müssen auch in der Entwicklungsarbeit adaptiert werden, die bisher Probleme weitgehend unabhängig vom Klima behandelt. Im Bereich der grenzüberschreitenden Wasserläufe rät der Berliner Think tank adelphi zu einer Wasserdiplomatie, die durch das Herbeiführen und Unterstützen von Verhandlungen zwischen betroffenen Parteien Konfliktpotentiale entschärfen könnte. Die genauen Auswirkungen des Klimawandels können derzeit nur geschätzt werden. Weiteres Abwarten darf aber in allen Bereichen keine Option sein: Gehandelt werden muss jetzt.
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www.adelphi.de | Unabhängige Denkfabrik und Beratungseinrichtung für Klima, Umwelt und Entwicklung
worldwater.org | Stellt Informationen zu Schutz und Bewahrung von Wasser zur Verfügung, Projekt des Pacific Instituts (int. Think Tank zum Thema Wasser)
greenpeace.de/meeresschutz | Kampagne „Meere brauchen Schutzgebiete“
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