Eltern und Großeltern bekommen noch heute leuchtende Augen, wenn sie von dem Ufa-Klassiker „Die Drei von der Tankstelle“ mit Lilian Harvey, Willy Fritsch, Heinz Rühmann und Oskar Karlweis in den Hauptrollen (1930) erzählen.
Welches Musical-Potential in „Die Drei von der Tankstelle“ steckt, zeigt jetzt das Aachener Grenzlandtheater, das nach „Sweet Charity“ und „Der Kleine Horrorladen“ wieder ein glückliches Händchen für innovative Musical-Inszenierungen beweist. Diesmal haben sie die Regie dem Musical-erfahrenen Schauspieler Ullrich Wiggers (u.a. „Mama Mia“) übertragen, der hier nach einigen „ernsten“ Stücken (u.a. „Buddenbrooks“) seine erste Musiktheater-Inszenierung vorlegt. Einen kongenialen Partner hat er im Bühnenbildner Matthis Winkler gefunden, der die schwierig zu bebauende, lange und schmale Bühne optimal genutzt hat. Wenn der Zuschauer den Saal betritt, liegen menschengroße Puppen und Stofftiere in einem mit Bauklötzen vollgestellten Kinderzimmer. Dann gehen die Scheinwerfer an, die Schauspieler schlüpfen aus den Kostümen, stellen die Holzbausteine zu einem Auto zusammen – und ab geht die Fahrt: „Ein Freund, ein guter Freund ...“.
Fortan übernehmen die Bauklötze den Part des „7. Hauptdarstellers“, der auch schon mal spontanen Zwischenapplaus einheimst. Schnell schwappt die gute Laune von der Bühne auf die Zuschauer über, und die kleine Komödie um drei mittellose Freunde, die sich mit einer Tankstelle über Wasser zu halten versuchen und in dasselbe Mädchen verlieben, nimmt ihren Lauf. Da Lilian aus reichem Hause stammt, lässt sich das Happy End erahnen. Bis dahin ist der Weg das Ziel. Und den beschreiten Martin Kiuntke (Willy), Werner Bauer (Hans) und Alexander Soehnle (Kurt) mit so viel Spiel- und Sangesfreude, dass man am liebsten in ihren Freundeskreis treten möchte. Die witzigen Dialoge fliegen einem nur so um die Ohren, wie zu besten „Screwball Comedy“-Zeiten, und auch die Anforderungen, die Marga Renders präzise Choreographie an die Schauspieler stellt, meistern alle mit Bravour. Karoline Goebel als Objekt der dreifachen Begierde strahlt jene 30er Jahre-Filmdiva-Aura aus, die auch heute noch betört. Dazu hat sie jene so oft besungenen Beine „der Dolores“, die, wenn sie mit Alexander Soehnle zu einer Fred Astaire/Ginger Rogers-Tanz- und Stepp-Paraphrase abhebt, den Zuschauer im siebten Musical-Himmel mitschweben
lässt. Aber auch Juliane Dreyer ist eine aufregende Femme Fatale, die Lilians Vater „Mops“ genau wie seine Tochter um den Finger wickelt: Christian Theodoridis ist in dieser Rolle in seiner tapsigen Behändigkeit überaus komisch. Selbst den beiden von Christian Kerkhoff (Dr. Kalmus) und Katrin Höft (als seine Sekretärin) gespielten Nebenfiguren lässt Wiggers kluge Regie Raum, um sich zu profilieren. Der musikalische Leiter Stephan Ohm hat mit seiner fünfköpfigen – geschickt im Bühnenbild versteckten – Band Heymanns Melodien von jeder altersbedingten Patina befreit und lässt sie in jenem fröhlich-jazzigen Sound erklingen, der einen beschwingt nach Hause gehen lässt.
Zitat: „Das machen nur die Beine von Dolores“
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