Böse Zungen behaupten immer wieder, Bielefeld existiere überhaupt nicht. Der ohnehin reiselustige Musicalfan weiß es allerdings besser – lockt ihn von dort doch schon seit Jahren einer der strahlendsten Sterne am deutschen Musical-Firmament ins städtische Theater. Vor allem seit William Ward Murta dessen musikalische Leitung übernommen hat, braucht man sich, was die Qualität der Produktionen angeht, vor dem Broadway nicht zu verstecken. Natürlich kann man mit dessen millionenschweren Investitionen nicht mithalten, gleicht das aber durch innovative Inszenierungen aus.
Und welches Musical böte sich da mehr an, als Cy Colemans „City of Angels“,
dessen musikalische Bandbreite von jazzigem Bigband-Sound über gefühlvolle Balladen bis hin zu ironischen Anleihen bei den in den 40er Jahren so beliebten Vocal-Ensembles reicht? Während die meisten Produktionen hier ein Damen-Terzett im Stil der Andrew-Sisters als musikalische Zwischenkommentierung der Geschichte auf die Bühne schicken, hat sich Regisseur Thomas Winter für ein gemischtes Doppel à la Manhattan Transfer entschieden. Und mit der Verpflichtung der vier Mitglieder der „Cologne Voices“ hat er auch gleich etwas für das Crossover in der NRW-Kulturlandschaft getan. Apropos 40er Jahre: Die Geschichte erinnert nicht von ungefähr an die Krimis von Dashiel Hammet um verführerische Frauen und heruntergekommene Privatdetektive, ist doch Musical-Autor Larry Gelbart als Drehbuchschreiber für Hollywood (u.a. „Tootsie“) bekannt geworden.
So verwickelt er seine Autoren-Figur Stine (Veit Schäfermeister) und deren Alter Ego, den Privatdetektiv Stone (Alexander Franzen), in einen mysteriösen Fall um verschwundene Töchter, untreue Ehefrauen, eifersüchtige Polizisten und größenwahnsinnige Film-Produzenten, bei dem es letztlich nur Verlierer geben kann. Die imaginären Gespräche zwischen Stine und Stone, ihr großartiges „Liebes“-Duett „Du bist nur, weil ich bin“, das intelligente Spiel auf zwei Handlungsebenen und die vielen überraschenden Wendungen des Plots sind das Salz in der Suppe dieser von einem großartigen Ensemble getragenen Inszenierung, aus der Alexander Franzen mit seiner – an deutsche Synchronstimmen von Film Noir-Stars erinnernden – ausdrucksstarken Pronouncierung noch ein wenig herausragt.
Auch das kleine TiC im Wuppertaler Vorort Cronenberg gehört zu den Musical-Schmieden in NRW. Von seinen produktionstechnischen Voraussetzungen her eher ein „Seelenverwandter“ des Off-Broadway, wagt es sich dennoch an große Broadway-Klassiker wie jetzt „Hairspray“.
Nach „Der kleine Horrorladen“ und „Hair“ die dritte Inszenierung des international renommierten Musical-Darstellers Patrick Stanke, der im TiC einst seine ersten Bühnenerfahrungen gesammelt hat. Mit der Musicalversion des 70er Jahre-Kultfilms von John Waters um die übergewichtige Tracy, die von einer Show-Karriere und Rassengleichheit träumt, ist ihm nun ein weiterer Volltreffer gelungen. Vor allem weil er es versteht, die Spiellaune des semi-professionellen Ensembles mit der politischen Botschaft auf den ironischen Punkt zu bringen. Und wer das Vergnügen hat, Kristof Stößel in der Travestie-Rolle von Tracys Mutter Edna zu erleben, der denkt nicht mehr an Uwe Ochsenknecht.
www.theaterbielefeld.de I www.tic-theater.de
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