„Schwul gilt auch unter Schülern leider immer noch als Schimpfwort“. Für Walter Bald war es keine Frage, ob seine Einrichtung eine „Schule der Vielfalt“ werden sollte, als einige Schüler ihm dies vorschlugen. Und so erhielt die Erich-Kästner-Gesamtschule Ende Mai auch diesen Titel – eine „Schule ohne Rassismus“ ist sie ja bereits. „Die Initiative dazu ging von den Schülern aus“, betont Bald. „Wir haben natürlich homosexuelle Schüler – wie andere Schulen auch. Konkrete Anlässe der Homophobie darüber hinaus gibt es nicht.“ Die Bochumer Gesamtschule ist die neunte Schule des noch jungen Netzwerks. Zurück geht das Projekt auf eine Initiative der Landeskoordination der Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW und SchLAu NRW im Jahr 2008. SchLAu NRW ist ein Netzwerk von Initiativen, die sich der Aufklärung über Homosexualität verschrieben haben. Ein Auslöser, „Schule der Vielfalt“ ins Leben zu rufen, war die Kenntnis von konkreten und zum Teil schwerwiegenden Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen. Bei der weiteren Evaluation des Themas sei deutlich geworden, dass an vielen Schulen ein Klima herrsche, das von Unwissen, Ängsten, Vorurteilen und feindlichen Haltungen gegenüber Homosexualität geprägt sei. Im Unterricht sind gleichgeschlechtliche Lebensweisen meist kein Thema, in Bayern mauert die CSU-geführte Regierung regelrecht dagegen, in Baden-Württemberg unterschrieben knapp 200.000 Menschen eine Petition gegen die Aufnahme des Themas in den Unterricht. Einfache Weltbilder wollen erhalten bleiben. Der süddeutsche Konservative braucht schließlich Feindbilder, nach Möglichkeit eine Minderheit.
Schätzungen der Projektträger zufolge sind zwischen fünf und zehn Prozent aller Menschen lesbisch oder schwul. Das wären im Schnitt ein bis zwei Jugendliche pro Schulklasse und mehrere pro Kollegium. Mehr als die Hälfte der Schüler sei Homosexuellen gegenüber negativ eingestellt. Zwei Drittel der Schüler verwendeten „schwul“ oder „Schwuchtel“ und mehr als ein Drittel „Lesbe“ als Schimpfwort. Lesbische, schwule, und bisexuelle Jugendliche erlebten in ihren Schulen Beschimpfungen, Beleidigungen und körperliche Gewalt. Die Bochumer Gesamtschule scheint durch ihre Arbeit in dem anderen Netzwerk diesbezüglich kein Problem zu haben. „Aber schon aufgrund der negativen Besetzung des Wortes „schwul“ ist Aufklärungsarbeit immer wieder erforderlich“, fährt Bald fort. „Es ist aber auch wichtig, das Problembewusstsein der Schüler zu schärfen.“ Das sahen auch alle Gremien der Schule ein. Bald: „Das war allen sehr willkommen. Auch seitens der Schüler gab es keine Einwände.“ Projektschulen führen Projekttage, Filmnachmittage und Workshops durch, die Homepage des Projekts stellt Unterrichtsmaterialien, ausgewählte Filme und Literatur sowie Ideen für Projektstunden vor. Das Logo des Projekts muss sichtbar im Eingang der Schule hängen, eine Selbstverpflichtungserklärung muss unterschrieben werden. Die Erich-Kästner-Schule begann am 28. Mai mit einem Projekttag. „Weitere Projekte werden sich anschließen“, versichert Bald.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Crime-Story mit Gender Trouble
Krimi-Lesung „Trans*Later“ am 18.7. im Djäzz in Duisburg – Literatur 07/17
Freundschaft ist stärker als Hass
Vortragsreihe am 26.1. im KWI Essen zur Situation von Lesben und Schwulen in Russland
Krause Kresse im Beet der Beine
Literaturbüro Ruhr startet Lesereihe am 28.8. in der Essener Zentralbibliothek – Literatur 09/14
Mann, Frau – alles Wurst?
Homo-, Bi- oder Transsexualität sind noch immer mit vielen Vorurteilen belastet – THEMA 07/14 SEXUALITÄT
„Etliche hielten mich wirklich für eine Frau“
Lilo Wanders über sexuelle Toleranz im Wandel der Epochen – Thema 07/14 Sexualität
Gegen welche Regel?
Intro – Flucht und Segen
Schulenbremse
Teil 1: Leitartikel – Was die Krise des Bildungssystems mit Migration zu tun hat
„Die Kategorie Migrationshintergrund hat Macht“
Teil 1: Interview – Migrationsforscher Simon Moses Schleimer über gesellschaftliche Integration in der Schule
Bildung für Benachteiligte
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe in Bochum
Rassismus kostet Wohlstand
Teil 2: Leitartikel – Die Bundesrepublik braucht mehr statt weniger Zuwanderung
„Ein Überbietungswettbewerb zwischen den EU-Staaten“
Teil 2: Interview – Migrationsforscherin Leonie Jantzer über Migration, Flucht und die EU-Asylreform
Ein neues Leben aufbauen
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Verein Mosaik Köln Mülheim e.V. arbeitet mit und für Geflüchtete
Zum Schlafen und Essen verdammt
Teil 3: Leitartikel – Deutschlands restriktiver Umgang mit ausländischen Arbeitskräften schadet dem Land
„Es braucht Kümmerer-Strukturen auf kommunaler Ebene“
Teil 3: Interview – Soziologe Michael Sauer über Migration und Arbeitsmarktpolitik
Ankommen auch im Beruf
Teil 3: Lokale Initiativen – Bildungsangebote für Geflüchtete und Zugewanderte bei der GESA
Das Recht jedes Menschen
Die Flüchtlings-NGO Aditus Foundation auf Malta – Europa-Vorbild Malta
German Obstacle
Hindernislauf zur deutschen Staatsbürgerschaft – Glosse
Weihnachtswarnung
Intro – Erinnerte Zukunft
Nostalgie ist kein Zukunftskonzept
Teil 1: Leitartikel – Die Politik Ludwig Erhards taugt nicht, um gegenwärtige Krisen zu bewältigen
„Nostalgie verschafft uns eine Atempause“
Teil 1: Interview – Medienpsychologe Tim Wulf über Nostalgie und Politik
Lebendige Denkmäler
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Route Industriekultur als Brücke zwischen Gestern und Heute
Aus Alt mach Neu
Teil 2: Leitartikel – (Pop-)Kultur als Spiel mit Vergangenheit und Gegenwart
„Früher war Einkaufen ein sozialer Anlass“
Teil 2: Interview – Wirtschaftspsychologe Christian Fichter über Konsum und Nostalgie
Spenden ohne Umweg
Teil 2: Lokale Initiativen – Das Netzwerk 2. Hand Köln organisiert Sachspenden vor Ort
Glücklich erinnert
Teil 3: Leitartikel – Wir brauchen Erinnerungen, um gut zu leben und gut zusammenzuleben