Bald 25 Jahre reift ein Jazzpflänzchen mit Namen JOE, Jazz Offensive Essen, das in diesem Jahr das Pflanzbeet wechselt – besserer Humus, besseres Feeling, so sagen die Macher. Das Geld für die Musiker wird zwar nicht mehr, aber die Infrastruktur passt besser als das frühere Rüttenscheider Katakomben-Theater. Einst ein Steinkohle-Bergwerk bietet die Zeche Carl in Essen heute ein abwechslungsreiches Kultur- und Unterhaltungsprogramm. Da passt das kleine Festival sehr gut in den Fahrplan. Vor mehr als 40 Jahren wurde das historische Gebäude für die Bürgerschaft als soziokulturelles Zentrum gerettet und beherbergt heute alle möglichen Veranstaltungen, aber auch spezielle nützliche Weiterbildungsarten wie Selbstverteidigungskurse und jetzt – ein engagiertes Jazzfestival.
Highlight des verlängerten Wochenendes dürfte der Jazzpianist Bobo Stenson sein, ein Urgestein der nordischen Szene, der schon 1971 in einem der ersten Projekte Jan Garbareks für das legendäre ECM-Label Manfred Eichers eingebunden wurde – Touren mit heterogenen Sax-Heroen wie Stan Getz, Dexter Gordon oder Sonny Rollins hatten Stensons filigranen, von der Klassik geprägten Klavierstil empfohlen. Es folgte sein eigenes Trio-Debüt mit dem Bassisten Arild Anderson und dem Drummer Jon Christensen – das prägte den skandinavischen Triojazz-Klang.
Natürlich werden auch die Wilden und die Neuen präsentiert, gleich zu Beginn die Band Salomea: spacige Sounds mit einer luziden Frauenstimme, die in Hall ertrinkt und Neo-Jazz oder Contemporary Multi-Genre als Schublade benennt. In der Alten Kirche Altenessen greift Kit Downes in die Orgeltastatur und haut raus, was einem Improvisator aus London auf der Seele brennt. qÖÖlp heißt die Begegnung der Brüder Ceccaldi (organisiertes Chaos in time aus virtuos beherrschter Geige und knackigem Cello) aus Orléans mit Ronny Graupe an der E-Gitarre und Christian Leidinger, dem SWR Jazzpreisträger 2017, einem umworbenen jungen Kreativberserker an den Trommeln.
Getrommelt wird auch im Duo des Saxophonisten Bill McHenry mit dem Schlagzeuger Joe Smith, da verrät schon die erbarmungslos puristische Besetzung, dass hier die Fetzen fliegen. Im Finale donnert Jim Hart die Becken und Toms des Trios Vula Viel und begeistert in der Band Velvet Revolution als Vibraphonist: Eine schöne Schlägerei als Kontrast zum Feinsinn des nordischen Bobo.
JOE Festival „auf Carl“ | 17. - 19.1. 19.30 Uhr | Zeche Carl | www.jazz-offensive-essen.de
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