Nicht nur, dass die deutschen Musical-Bühnen wegen der Erweiterung des Funk-Frequenz-Netzes technisch aufrüsten mussten und dadurch so manches Theater in der Ton-Qualität in den Schatten stellen – sie erweisen auch mehr Mut als die meisten Stadttheater-Intendanten hierzulande, wagen sich an deutsche Erstaufführungen von Broadway-Musicals und geben deutschen Komponisten eine Chance.
Waldbühne Kloster Oesede: Zum vierten Mal schon inszeniert Musical-Darsteller Max Messler hier mit seinem kongenialen Choreographen Brady Stephan Harrison. Diesmal ist es die deutsche Erstaufführung des Broadway-Hits „The Wedding Singer“. Und wieder holen sie aus der durch Studierende der Musical-Akademie Osnabrück verstärkten Laienspielschar Erstaunliches heraus. Durch die temporeiche Inszenierung, die fetzige Choreographie und die kraftvollen Songs von Matthew Sklar wird man geradezu süchtig auf die Musik der 80er Jahre.
Emsländische Freilichtbühne Meppen: Auch hier scheint man mit der Regisseurin und Choreographin Iris Limbarth die ideale Besetzung gefunden zu haben. Für ihr „Verflixtes 7. Jahr“ in Meppen wählte sie George Gershwins „Crazy for You“ aus dem Jahre 1930, das ja irgendwie auch ein musikalischer Kommentar zur damaligen (und heutigen) Finanzkrise ist. Aber auch, weil sie die im vorigen Jahr mit Cole Portes „Anything Goes“ begonnene Hinwendung zum Stepp-Musical fortsetzen will. Schon die mit Stepp-Einlagen gewürzte Ouvertüre lässt einem vor Staunen den Mund offenstehen.
Die Freilichtbühne Coesfeld gab mit der Welt-Uraufführung von „Der große Gatsby“ einem deutschen Komponisten eine Chance. Und Claus Martin beweist mit seiner Partitur, dass er sich vor seinen angelsächsischen Kollegen nicht verstecken muss. Martins Kompositionen, die die Musik der Roaring Twenties mit modernen Pop-Elementen verbinden, haben durchaus Ohrwurm-Qualität.
Auch hier trifft das nach dem gleichnamigen Roman – der gerade mit Leonardo de Caprio neu verfilmt wurde – von F. Scott Fitzgerald entstandene Musical den Zeitgeist: Denn es wirft nicht nur die Frage „Geld oder Liebe“ auf, sondern geißelt auch die damals wie heute kriminellen Börsenspekulationen.
Auch bei den Burgfestspielen Mayen ist große Literatur angesagt: Niko Kazantzakis „Alexis Sorbas“ als Musical. Leider griff Indendant, Regisseur und Hauptdarsteller Peter Nuesch nicht auf das Musical-„Original“ des „Cabaret“-Teams Fred Ebb/John Kander zurück, sondern wählte Konstantin Weckes uninspirierte Neu-Komposition aus, von der nichts im Ohr hängenbleibt. Immerhin liefert die auf sich zugeschnittene Inszenierung von Peter Nuesch einen kraftvollen Theater-Abend in imposanter Burg-Kulisse, der allerdings ohne Musik mehr überzeugt hätte.
Beim „Schinderhannes“-Musical auf der Open-Air-Bühne Schloß Simmern ist es ähnlich. Das geschichtsträchtige Stück( nach Zuckmayer) um einen deutschen „Robin Hood“ überzeugt mehr durch die Inszenierung von Joerg Steve Mohr als durch die musikalische Aufarbeitung, wobei die Kompositionen von Carsten Braun deutlich mehr Talent verraten als die unsäglichen Liedtexte von Michel Becker.
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