Auch wenn der Broadway immer noch das „Musical-Paradies“ ist, das Londoner Westend ist mittlerweile mehr als nur das „Vorzimmer“ zum „gelobten (Musical-) Land“. Rein was die Zahlen angeht, hat die englische Metropole die Nase vorne: Unter 24 Produktionen kann man dort wählen, während sich die New York-Besucher zwischen 18 Musicals entscheiden können. Und da London auf der „Shopping-Tour“-Liste bei den NRW-Bürgern momentan ganz oben steht, kann man einen Kurztrip ganz gut mit einem oder zwei Musicalbesuchen verbinden, zumal sich allein schon die großartige Innenarchitektur der meist über ein Jahrhundert alten Theater anzusehen lohnt. Wenn man dazu noch das Glück hat, am „Half-Price“-Ticketschalter am Leicester Square eine Karte zu ergattern, ist die Musical-Seligkeit perfekt.
Noch vor dem Broadway erlebte jetzt im „London Palladium“, wo sich früher Show- und Jazzgrößen von Sammy Davis Jr. bis Ella Fitzgerald die Klinke in die Hand gegeben haben, Alan Menkens (u.a. „Der kleine Horrorladen“) neues Musical „Sister Act“ seine Uraufführung. Das nach dem Kultfilm mit Whoopi Goldberg entstandene Musical über eine sich vor ihrem Zuhälter in einem Kloster versteckende Prostituierte ist ähnlich wie „Mamma Mia“ eines jener „Gute-Laune“-Stücke, bei denen man am liebsten auf die Bühne springen, mitsingen und -tanzen möchte. Wie schon der Film lebt auch die Bühnenfassung von der charismatischen Präsenz der Hauptdarstellerin. Und mit der an Diana Ross erinnernden, aus der amerikanischen Provinz stammenden 24jährigen Patina Miller hat Regisseur Peter Schneider einen neuen Musical-Star entdeckt, der sicher noch Furore machen wird. Vielleicht auch bei uns – denn wie man hört, plant Stage Entertainment, das Stück über den Kanal zu holen.
Das gleiche „Feeling Good“ versprüht das ebenfalls auf einen Kultfilm zurückgreifende „Hairspray“, das John Waters Travestie-Film aus den 70ern einfallsreich für die Bühne adaptiert. Mark Shaimans schmissige Rock’n‘Roll-Songs und gefühlvolle Balladen lassen die 60er Jahre mit ihren Werbe-TV-Shows, dem Blondinen-Wahn und der Rassen-Diskriminierung wieder aufleben. Auch hier stiehlt eine Neuentdeckung, die pummelige Leanne Jones mit ihrer Quirligkeit, allen die Show, behauptet sich sogar gegen den eigentlichen Star der Show, die englische Musical-Heroe Michael Ball, der ihre Mutter (!) spielt.
Und da bekannterweise aller guten Dinge drei sind, basiert auch das erfolgreichste australische Musical aller Zeiten, „Priscilla Queen of the Desert“, auf einem (gleichnamigen) Kultfilm. Anders als bei „Sister Act“ und „Hairspray“ gibt es hier allerdings keine extra für die Bühnenfassung komponierte Musik: Man hat einfach die Disco-Hits der 70er und 80er Jahre aus dem Film übernommen. Leider verlässt die hauptsächlich in einem (aufgeklappten) Überlandbus spielende Geschichte um drei desillusionierte Drag-Queens nie die Glitzerwelt des mit überbordender Phantasie gestalteten Bühnenbildes. So „schmaust“ zwar das Auge, das Herz wird aber wie bei „Sister Act“ und „Hairspray“ selten berührt.
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