Ein Mann hat den Arm voller Gläser. Es sind zu viele, als dass er sie alle tragen kann. Die mit Öl gefüllten Gläser fallen zu Boden. Es entsteht eine Melange aus Scherben und Flüssigkeit, der Grund wird rutschig. Er schlittert auf dem Boden herum. Bei dem Mann handelt es sich um den Performancekünstler Marcel Sparmann. Er studiert Theater und Performance an der Universität Hildesheim.
Im Rahmen des Kulturfestivals Klopsztanga.Polen-grenzenlos_NRW verständigen sich die Künstler mit ästhetischen Mitteln: Performance, das ist eine situationsbedingte, handlungsbetonte und vergängliche künstlerische Darbietung. Anders als ein Kunstwerk, das man immer wieder betrachten kann, lebt die Performance von der Momentaufnahme. Dahinter verbirgt sich die Idee des lebenden Bildes.
Sprechen, fühlen, singen
Das Programm des polnischen Malers und Performance-Künstlers Antoni Karworski heißt „talk, feel, sing“. Er wickelt sich eine Mullbinde um die Hand, auf der ein Buchstabe sichtbar ist. Irgendwann ergibt sich daraus ein Wort. Weitere Bänder hängt er zwischen den beiden Säulen auf, die sich mitten im Raum befinden. Seine Arme bewegt er auf und ab, sodass eine Bewegung entsteht, die an das Flügelschlagen von Vögeln erinnert. Mit einem kleinen Instrument, das er sich in den Mund steckt, ahmt er auch ihre Geräusche nach.
An jeweils zwei Tagen treffen sich vier polnische und fünf deutsche Künstler. Gemeinsam entwickeln sie Darbietungen zu vollkommen unterschiedlichen Aspekten und mit unterschiedlichen Mitteln. „Wir sind die Themen ‚glücklich sein‘, ‚Intimität‘ und ‚Poesie‘ angegangen“, so Johannes Deimling. Der Performance Künstler ist ein wahrer Kenner der deutschen und polnischen Szene. Seine performativ-poetischen Arbeiten erfahren internationale Anerkennung und werden auf Performance-Festivals, in renommierten Galerien und Museen präsentiert. Er arbeitet als Lehrer für Performance Kunst in Norwegen, Dresden und Estland.
Subversive Botschaften
In der Alten Post geht es aber nicht nur um Performance, sondern auch um den kulturellen Austausch. „In der Kunst haben wir kein Verständigungsproblem“, so Klaus Richter, Kurator der städtischen Galerie. Gemeinsam ergründe man hier die Unterschiede, fände aber auch viele Gemeinsamkeiten. „Die polnische Performance Szene ist einzigartig“, führt er weiter aus. Die polnischen Künstler würden mit einer unglaublichen Ernsthaftigkeit agieren. Im Vergleich zu den deutschen Künstlern seien ihre Performances sehr eigenständig und weniger „glatt“.
Abgesehen von Polen und Jugoslawien, wurde die Performance Kunst in den kommunistischen Ländern des Ostblocks nicht geduldet. Unabhängige öffentliche Veranstaltungen galten als Gefahr. Die Menschen trafen sich deshalb nur in Privatwohnungen oder bei scheinbar spontanen Versammlungen in Ateliers, bei einem getarnten Fotoshooting oder im geschützten Raum der Kirche. Die Performance-Kunst enthielt zudem oftmals subversive Botschaften. Bei genauerer Betrachtung nicht verwunderlich, dass die autoritären Systeme Angst vor der Macht des Augenblicks hatten. „Wir haben es ihr nicht mit totem Material zu tun. Die Bilder gehen richtig unter die Haut“, so Klaus Richter abschließend.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23
Aus anderer Perspektive
Szenenwechsel der Sammlung im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 09/23
Kunst und Umgebung
„Produktive Räume“ in Haus Lange Haus Esters in Krefeld – Kunst in NRW 08/23
Dialog auf Gegenseitigkeit
„yours truly,“ im Museum Schloss Morsbroich – Kunst in NRW 07/23
Malerei im Fluss
Jan Kolata in Ratingen und in Düsseldorf – Kunst in NRW 06/23
Farben des Lichts
Etel Adnan im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/23
Kunst aus Worten und Sätzen
Jenny Holzer im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 04/23
Draußen, im Licht
Die Ölstudie im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 03/23
Draußen, immer
Ein Skulpturenprojekt in Monheim – Kunst in NRW 02/23
Bäume und Linien
Piet Mondrian in Düsseldorf – Kunst in NRW 01/23
Forschungsstation Zivilisation
Andrea Zittel im Haus Esters Krefeld – Kunst in NRW 12/22
Zeitgeschichte als Skulptur
Reinhard Mucha in der Kunstsammlung NRW – Kunst in NRW 11/22
Zügige Gesten auf den Punkt
Martha Jungwirth in der Kunsthalle Düsseldorf – Kunst in NRW 10/22