Für Kenner von Science-Fiction-Filmen ist die neue Google-Wunderwaffe nichts Neues. Das so genannte „Project Glass“ soll Anfang 2013 an ausgewählte Kunden versandt werden. Die IT-Spezialisten werden den Prototyp begutachten und entscheiden, wie viele Schritte bis zur Massenproduktion noch nötig sind. Das „Project Glass“, mit bespielbarem Display und Kamera ausgestattet, ist die scheinbare Vollendung von Bildtechniken, die sich in den Blickraum des menschlichen Auges implementieren. Dieser ließ sich schon seit der Renaissance gerne täuschen – und in diesem Täuschen sah man lange Zeit über die Finesse des Künstlers. Bald dürfen Büroangestellte sich ihre stressende Umgebung mittels Software überspielen und zwischen zwei Meetings einen Hauch der Malediven einatmen.
Da stellt sich die Frage, wie die Kunst auf die zunehmende Digitalisierung natürlicher Räume antworten soll. Muss sie das überhaupt? Der polnische Künstler Roman Lipski hat seine eigene, pragmatische Herangehensweise an die digitalisierbare Realität gefunden. Er zieht mit seiner Digi-Kamera los, knipst, was das Zeug hält, und lässt Motive wie Stimmungen in eine kontrastreiche Bildmotive verschmelzen. Seine menschenleeren Landschaften suggerieren trotz der horizontalen Weite eine konkrete Position, von der aus das Wechselspiel zwischen Licht und Schatten auf den Betrachter magisch zurückwirkt.
Von der digitalen Schärfe bleibt bei Lipski nicht mehr viel übrig. Das Licht wird zu einem emotionalen Schleier, der sich über das Bild legt. Alltäglich Objekte wie Maschendrahtzäune, Fensterrahmen oder Brückenabsperrungen sind mal angedeutet, mal von einem mystifizierenden Licht versehen, das sie eher in die Kulisse eines David Lynch-Films tauchen ließe, denn in einen Katalog über Landschaftsmalerei.
An suggestiven Mitteln mangelt es dem seit 1989 in Berlin lebenden Polen nicht. Dieser subtile Stil, mit dem Lipski der Naturbetrachtung ihre allzu menschliche Verworrenheit wiedergibt (Kant hätte hier wohl von Spontaneität gesprochen), beeindruckte auch Anwalt und Kunst-Mäzen Erich Marx, der seit Jahren einer der Förderer Lipskis ist. Neben Ausstellungen in Rom, New York und zuletzt in Las Vegas (gerade dort fand in der Galerie des Mega-Hotels Bellagio eine Ausstellung über Landschaften von Monet bis David Hockney statt!), ist er nun auch in Düsseldorf zu sehen. Innerhalb der Berliner Kunstszene ist der Maler aus dem Pommerschen Nowy Dwór Gdánski bereits bestens bekannt. Hier war er auch an der Gründung des Klubs der polnischen Versager beteiligt, einer Vereinigung von polnischen-Avantgardisten in Berlin, in der mit polnischen Stereotypen in und außerhalb Deutschlands sarkastisch-künstlerisch umgegangen wird.
Daran mag man biographisch sehen, dass Roman Lipski seine Landschaften nicht frei von Ironie malt – ungeachtet aller digitalen Anflüge, die von den Medienmammuts in Silicon Valley und co. noch zu erwarten sind.
Roman Lipski. Malerei I Galerie des Polnischen Instituts Düsseldorf I 7.9.-16.11.
www.polnisches-institut.de
Am 7.9. findet um 19 Uhr die Vernissage in Anwesenheit des Künstlers statt.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23
Aus anderer Perspektive
Szenenwechsel der Sammlung im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 09/23
Kunst und Umgebung
„Produktive Räume“ in Haus Lange Haus Esters in Krefeld – Kunst in NRW 08/23
Dialog auf Gegenseitigkeit
„yours truly,“ im Museum Schloss Morsbroich – Kunst in NRW 07/23
Malerei im Fluss
Jan Kolata in Ratingen und in Düsseldorf – Kunst in NRW 06/23
Farben des Lichts
Etel Adnan im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/23
Kunst aus Worten und Sätzen
Jenny Holzer im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 04/23
Draußen, im Licht
Die Ölstudie im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 03/23
Draußen, immer
Ein Skulpturenprojekt in Monheim – Kunst in NRW 02/23
Bäume und Linien
Piet Mondrian in Düsseldorf – Kunst in NRW 01/23
Forschungsstation Zivilisation
Andrea Zittel im Haus Esters Krefeld – Kunst in NRW 12/22
Zeitgeschichte als Skulptur
Reinhard Mucha in der Kunstsammlung NRW – Kunst in NRW 11/22
Zügige Gesten auf den Punkt
Martha Jungwirth in der Kunsthalle Düsseldorf – Kunst in NRW 10/22