Auf zum schönen Niederrhein! Dort sind gegenwärtig zwei der hinreißendsten und innigsten Ausstellungen in NRW zu sehen: mit herman de vries auf Schloss Moyland bei Bedburg und Ettore Spalletti im Museum Kurhaus in Kleve – und beide Präsentationen sind für den jeweiligen Ort, die weite Landschaft und auch die Jahreszeit wie geschaffen. Sie zeigen gestandene Künstlerpersönlichkeiten, die, in Fachkreisen hochgelobt, so feinsinnig und still vorgehen, dass sie tatsächlich erst noch zu entdecken sind. In beiden Fällen macht der Überblick über das Gesamtwerk also Sinn. Hinzu kommt die geistige Nähe von herman de vries zu Joseph Beuys, die für Moyland und seine Sammlung unter der Leitung von Bettina Paust wichtig ist, und das langjährige Interesse des Klever Museumsdirektors Guido de Werd an Kunst mit reduzierten Ausdrucksformen.
Der Niederländer herman de vries (geb. 1931) lebt in Franken in der Natur und mit der Natur. Er beobachtet diese und sammelt sie, hält Veränderungs- und Verfallsprozesse und ihre Widerstandskraft fest. So entstehen Anordnungen auf weißem Grund, bei denen alles sachlich und gleich gewichtig ist. Ausgehend vom Zusammenwirken von Chaos und Ordnung liefert de vries Systeme und Erfahrungen, die Existenz und Kreatürlichkeit reflektieren. In ihrer Bildhaftigkeit ähneln diese Arbeiten visueller Poesie – ein Metier, in dem er ebenfalls zu Hause ist. Er erfindet Texte und erstellt erlesene Künstlerbücher. Begonnen hat herman de vries vor vier Jahrzehnten übrigens im Umfeld der Künstlergruppe Zero: mit einer verknappten Formensprache, der es um Grundsätzliches und Reinheit geht, die allen Ballast des Alltags, überhaupt der Gesellschaft hinter sich lässt.
Schon das aber sind wesentliche Merkmale auch der Arbeit von Ettore Spalletti. Der Italiener Spalletti (geb. 1940) beschäftigt sich mit Phänomenen der Natur, auch wenn sich seine Arbeiten im Innenraum befinden und speziell für diesen entwickelt sind. Er forscht am Elementaren unserer Wahrnehmung und greift dabei auf die Farben des Himmels und des Meeres und das Raumgefühl von Landschaft zurück; indirekt zitiert er noch die Freskomalerei der Renaissance. Spalletti „formt“ mit Atmosphäre und Befindlichkeit. Etwa behandelt er den Boden, den die Ausstellungsbesucher vor sich haben, so, dass das Gleichgewicht unsicher wird, oder er setzt Felder auf diesen. Und seine riesigen Bildtafeln an der Wand sind einfarbig. Nichts scheint zu passieren, alles ist außerhalb jeder Zeit. Spallettis Beitrag zur Kunst der Gegenwart ist die Versinnlichung von Erleben – wie herman de vries verzaubert er mit Einfachheit die Welt.
herman de vries – all this here I bis 25. Oktober in der Stiftung Museum Schloss Moyland in Bedburg-Hau I www.moyland.de
Ettore Spalletti I bis 20. September im Museum Kurhaus Kleve I www.museumkurhaus.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23
Aus anderer Perspektive
Szenenwechsel der Sammlung im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 09/23
Kunst und Umgebung
„Produktive Räume“ in Haus Lange Haus Esters in Krefeld – Kunst in NRW 08/23
Dialog auf Gegenseitigkeit
„yours truly,“ im Museum Schloss Morsbroich – Kunst in NRW 07/23
Malerei im Fluss
Jan Kolata in Ratingen und in Düsseldorf – Kunst in NRW 06/23
Farben des Lichts
Etel Adnan im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/23
Kunst aus Worten und Sätzen
Jenny Holzer im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 04/23
Draußen, im Licht
Die Ölstudie im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 03/23
Draußen, immer
Ein Skulpturenprojekt in Monheim – Kunst in NRW 02/23
Bäume und Linien
Piet Mondrian in Düsseldorf – Kunst in NRW 01/23
Forschungsstation Zivilisation
Andrea Zittel im Haus Esters Krefeld – Kunst in NRW 12/22
Zeitgeschichte als Skulptur
Reinhard Mucha in der Kunstsammlung NRW – Kunst in NRW 11/22
Zügige Gesten auf den Punkt
Martha Jungwirth in der Kunsthalle Düsseldorf – Kunst in NRW 10/22