Die Rockford Kabine versteckt sich hinter dicken Mauern. Mitten im Bochumer Westen zwischen Jahrhunderthalle und Marienkirche haben Stefan Zweers und Jochen Berndt einen ehemaligen Hochbunker zu ihrem Arbeitsplatz gemacht. Hier sitzen sie Abend für Abend im Tonstudio, um Musik für ihr Projekt Rockford Kabine auf den Punkt zu bringen. Wobei dies eigentlich ein aussichtsloses Unterfangen ist. Nicht nur weil die Band mit Vorliebe unangekündigte „Anti-Gigs“ in Parkhäusern, Telefonzellen oder gescheiterten Kreativquartieren spielt. Sondern auch weil die Musik von Rockford Kabine konsequent instrumental gehalten ist. Nur manchmal unterbricht ein kurzes Sprachsample den dichten Soundteppich aus Percussion, Gitarrenlicks und Synthesizern. Rockford Kabine schöpfen aus vielen Quellen, von denen Krautrock, Dub und TripHop nur diejenigen sind, die als erste im Ohr bleiben. „Wir waren schon immer Plattensammler“, erzählt Stefan Zweers und legt zum Beweis eine frisch erworbene Psychedelic Rock-LP auf die Turntables. Trotzdem ist die Rockford Kabine nicht eklektisch, sondern arbeitet sich an einem Grundthema ab: Musik bleibt ohne Bilder wirkungslos. „31 Invalid Movie Themes“ lautete der Untertitel ihrer Debüt-LP „Italian Music“. Darauf befand sich eine Ansammlung an Stücken, die problemlos den Soundtrack zu einem Film nach dem Vorbild italienischer Horrormovies der 1970er abgeben könnte – der natürlich aber erst noch geschrieben werden muss. Dennoch war die CD der Einstieg ins Filmgeschäft für die beiden Bochumer. Eine amerikanische Porno-Regisseurin hatte ein paar Stücke unlizensiert für einen Film verwendet und damit einen Preis gewonnen.
Damit war die Richtung vorgegeben. „Wir sind dann zur Bank und haben gesagt „Wir brauchen einen Kredit, einen Porno in Hollywood zu drehen“, erzählt Stefan Zweers, „und die Bank meinte: ‚Geht klar!‘“. Also überwiesen sie dem Regisseur Jack the Zipper das Geld, schickten ihm die Sounddateien, und der ging inspiriert ans Werk. Das Resultat ist „Xero“, ein 66 Minuten langer Film, der sich in Aufmachung und Kameraführung an japanischen Sexploitation-Filmen wie „Sasori“ orientiert und dessen Ästhetik ins Uneigentliche bricht. Damit ist er in guter Gesellschaft, denn der Boom von alternativen Pornoproduktionen innerhalb einer Arthouse- und Kunstszene setzt sich auch 2010 fort. Und so präsentiert sich auch „Xero“ nicht als simpler Wichsfilm, sondern als filmhistorisch informiertes Kunstprodukt. Ein wenig Nachgeschmack bleibt dennoch. Die Kritik, dass Pornos in der Regel einseitig den männlichen Blick reproduzieren, wird kaum dadurch entkräftet, dass man diesen Blick nur als „arty“ Zitat verwendet. Musikalisch ist „Xero“ jedoch über jeden Zweifel erhaben. Wo die Vorgängerplatte noch teilweise etwas unentschlossen ins Skizzenhafte abdriftete, haben Rockford Kabine das Songwriting gestrafft und zeigen sich geschichtsbewusst. Berndt spielt die Instrumentalspuren ein, die dann von Zweers durch traditionelle Dub-Produktionstechniken ihre endgültige Form erhalten. Ein Erfolgsrezept, das sie auch für die Arbeit am Soundtrack des „Xero“-Nachfolgers nicht aufgeben. Im Moment arbeiten sie jedenfalls fieberhaft mit geringem Budget. Anfang Dezember müssen sie ihr Studio verlassen, die Rockford Kabine ist dadurch aber noch lange nicht am Ende: „Eigentlich haben wir geplant, den Soundtrack zu Tarantinos „Kill Bill 3“ zu schreiben“, meint Stefan Zweers und lacht.
Rockford Kabine: „Italian Music“; „Xero“ z. Zt. nur als CD-Beigabe zur Film-DVD erhältlich, eine limitierte Vinylveröffentlichung für Anfang 2011 geplant
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