„Mir hat dieser Abend wirklich Spaß gemacht“, meinte Dusko Goykovich, eine der letzten lebenden europäischen Trompetenlegenden, die auch in den Staaten absolute Anerkennung erfahren durfte. Er sprach es nach einem Konzert im Kölner Alten Pfandhaus, wo die wohlige Harmonie sich nicht nur auf die Akkorde in den gespielten Standards beschränkte, sondern wo der Übergriff von Sympathie und künstlerischer Anerkennung durch das Publikum so merklich die gesamte Gesellschaft durchwirkte, als hätten alle Gäste und Musiker gemeinsam einer erlaubten Glücksdroge gefrönt. Achtung vor der Geschichte und vor dem Alter – im nächsten Jahr feiert Dusko seinen Achtzigsten – und die Faszination des ewigen Lebens, in symbolischer Darstellung des lockeren Ansatzes und der Kraft für die Stütze, erzeugte diese friedvolle Euphorie, die sich vornehmlich beim klassischen Jazzkonzert einstellt – besonders halt, wenn ein besonnener Oldstar die Regie übernimmt – ein Star, obwohl der Name Dusan Goykovich sicher kein Dosenöffner für kollektive Erinnerung gewesen sein dürfte.
Der Mann aus Jajce im früheren Jugoslawien hat in Belgrad Philosophie studiert, bevor er ein Musikstudium anstrebte. Hier liegen die Wurzeln für seine Individualität, dieses unwahrscheinlich todsichere Rezept in der früheren Jazzgeschichte, Aufmerksamkeit unter den Kollegen zu erringen. Weit vor den Horden von Musikern, die in Europa ihre Identität in einer „Imaginären Folklore“ suchten, führte Dusko seine „Jugoslavia Jazz Suite“ auf, 1978 beim Jazzfestival in Belgrad. Da lebte er allerdings schon zehn Jahre in Deutschland, wo er bei Kurt Edelhagen, später auch gern bei Herbolzheimer spielte und eine eigene Big Band aufbaute. Nach seinem Studium in Boston Anfang der Sechziger und seinen Einsätzen in den Bands von Dizzy Gillespie, Woody Herman, Chet Baker, Stan Getz oder Sonny Rollins war er für Europa geadelt und spielte im Orchester Clarke/Boland, Europas erste Big Band Adresse mit Sitz in Paris und häufiger Präsenz im Rheinland.
Dass jetzt im Konzert natürlich auch viele ältere und jüngere Jazzmusiker ihre Aufwartung machten, war selbstverständlich. Das perfekt eingespielte Martin Sasse Trio bettete die flüssigen Soli des Altmeisters ebenso mithörend wie die prasselnden Attacken von Tenorist Paul Heller, seines Zeichens stärkste Waffe im Saxophonsatz der WDR Big Band. John Marshall, Kollege von Heller und virtuoser Trompetenimprovisator, hatte als Gast zufällig die Trompete im Koffer und stieg kurzerhand ein. „Dusko“ instruierte auch mal die Rhythmussektion, einige besondere Stopps unter ein Solo zu legen: Spontaneität wurde groß geschrieben, Ideen mühelos realisiert.
Ich hatte das Gefühl an diesem Abend, dass es immer seltener wird, wirklich stimmige Konzerte mit so umfassend verschiedenen Komponenten zu erleben, die nicht unter das Werturteil „interessant“ fallen. Das erklärt sich einerseits biologisch, denn nach der Generation „Dusko“ gähnt erst mal eine fette Lücke. Andererseits heizen diese stillen Stars die Atmosphäre unter ihren Musikern auf ein ungewohnt hohes Niveau auf. Jetzt gibt es nochmals die Chance, den Trompeter an einem lauen Sommernachmittag zu bewundern, mit dem Martin Sasse Trio und dem jungen Tenoristen Denis Gäbel, dem Bruder vom singenden Tom – vielleicht geschieht wieder ein Wunder.
Konzert am 31.7. um 15 Uhr im Hofgarten in Düsseldorf
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Intime Weltenwanderer
Markus Stockhausen und Ferenc Snétberger im Parkhotel Engelsburg – Improvisierte Musik in NRW 12/24
Tolerante Szene
An diesem Abend gehen Kölner Jazzbühnen fremd – Improvisierte Musik in NRW 11/24
Nordisches Spitzenprodukt
Rymden am Theater Krefeld – Improvisierte Musik in NRW 10/24
Experimentell und innovativ
3. New Colours Festival in Gelsenkirchen – Improvisierte Musik in NRW 09/24
Immer eine Uraufführung
4. Cologne Jazzweek – Improvisierte Musik in NRW 08/24
Ein Abend für den Duke
Jason Moran und die hr-Bigband in Duisburg – Improvisierte Musik in NRW 07/24
Musikalische Eröffnung der EM
Bundesjazzorchester mit Tom Gaebel in Dortmund und Köln – Improvisierte Musik in NRW 06/24
Verschiedene Welten
Drei Trompeter besuchen das Ruhrgebiet – Improvisierte Musik in NRW 05/24
Besuch von der Insel
„Paul Heller invites Gary Husband“ im Stadtgarten – Improvisierte Musik in NRW 04/24
Pure Lust an der Musik
Das Thomas Quasthoff Quartett im Konzerthaus Dortmund – Improvisierte Musik in NRW 03/24
Kleinstes Orchester der Welt
„Solace“ in der Friedenskirche Ratingen – Improvisierte Musik in NRW 02/24
Mit zwei Krachern ins neue Jahr
Jesse Davis Quartet und European All Stars in Köln – Improvisierte Musik in NRW 01/24
Sturmhaube und Ballonmütze
Gregory Porter in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 12/23
Balladen für den Herbst
Caris Hermes Quintett in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 11/23
Wonnemonat für Fusionfans
Drei E-Gitarren erobern das Ruhrgebiet – Improvisierte Musik in NRW 10/23
Funk und Soul mit fetten Sounds
„Tribute To Curtis Mayfield“ in der Kölner Philharmonie – Improvisierte Musik in NRW 09/23
Die Trommel mal ganz vorne
„Schlagzeugmarathon“ in Essen – Improvisierte Musik in NRW 08/23
Bird with Strings
Karolina Strassmayer in Essen – Improvisierte Musik in NRW 07/23
Tüchtige Kellerkinder
Subway Jazz Orchestra feiert zehnten Geburtstag – Improvisierte Musik in NRW 06/23
John Scofield allein zu Haus
Der große Gitarrist in Oberhausen – Improvisierte Musik in NRW 05/23
David Murray auf Hochtouren
„International Jazz Day“ auf Burg Linn – Improvisierte Musik in NRW 04/23
Es klingelt das Vibraphon
Wolfgang Lackerschmid im Jazzkeller Krefeld – Improvisierte Musik in NRW 03/23
Sisters in Jazz
Cæcilie Norby und Band in Bad Hamm – Improvisierte Musik in NRW 02/23
Je bunter, umso besser
„Die Verwandlung“ in Wuppertal, Köln und Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 01/23
Den Eisbär im Programm
JugendJazzOrchester NRW im Stadtgarten Köln – Improvisierte Musik in NRW 12/22