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„Rigoletto“ an der Oper Köln
Foto: Paul Leclaire

Der Verlust der Unschuld

29. März 2012

Verdis „Rigoletto“ an der Oper Köln - Oper in NRW 04/12

Verdis „Rigoletto“ aus dem Jahr 1851 ist der Anfang einer Trilogie der Ausgestoßenen und Missbrauchten, die den Weltruhm des Komponisten begründet: 1853 folgen innerhalb nur eines Jahres die Repertoireschlager „Il Trovatore“ und „La Traviata“.

Die Titelfigur, der verkrüppelte Rigoletto, verdingt sich als Hofnarr des Fürsten von Mantua: Er ist seinem skrupellosen Dienstherren gegenüber willfährig, und sein Spott kennt keine Gnade, er ist ihm Waffe, um sich zu erhöhen und andere zu erniedrigen, was ihm die Feindschaft seiner Umgebung einbringt. Aber Rigoletto ist auch ein Missbrauchter, seine Missgestalt dient der Belustigung seines Brotherrn, von dem er abhängig ist und dessen Gewissenlosigkeit er bedienen muss. Er versteckt sich hinter der Maske des Narren und führt ein Doppelleben. Seine Bedürfnisse als Mensch lebt er in einer bürgerlichen Gegenwelt aus, die er streng von der verbrecherischen Hofgesellschaft trennt: Seine Tochter Gilda ist sein Ein und Alles, er sperrt sie von der Welt weg und will ihre Reinheit und Unverdorbenheit bewahren – noch nicht einmal Beruf und Namen des Vaters darf sie erfahren (!).

Rigoletto will in der Tochter nicht die heranwachsende Frau und ihre Bedürfnisse sehen, sondern die unter allen Umständen zu erhaltende kindliche Unschuld. Dieser Hyperprotektionismus rächt sich auf fatale Weise. Das weltfremde Mädchen verliebt sich ausgerechnet in den skrupellosen Fürsten, der sich als Student ausgibt und ihm romantische Liebe vorspielt, vergleichbar einem heutigen Loverboy, der ein junges unerfahrenes Mädchen in seiner Sehnsucht nach Liebe in seine Abhängigkeit bringt. Gilda wird entführt und geschändet, doch ihre ungebrochene Liebe zu ihrem Peiniger und der Entschluss, sich für ihn zu opfern, gleicht einer Flucht vor der Allgegenwärtigkeit des Vaters und der als Übermacht empfundenen Schande ihrer Vergewaltigung. Die verhängnisvolle Dreierkonstellation zwischen Vater, Tochter und Liebhaber, dieses fatale Netz der Abhängigkeit und Hörigkeit, ist der Kern von „Rigoletto“, der das Stück auch heute noch spannend und aktuell macht.

Das Libretto basiert auf dem Drama „Le Roi s´amuse“ von Victor Hugo, das Verdi im Frühjahr 1850 in einen wahren Schaffensrausch versetzte. Das theatralisch äußerst effektvolle französische Melodram ist dem Volkstheater verpflichtet: Spektakuläre Aktion, drastischer Bühnenrealismus und ein versöhnliches Ende prägen das Bühnengeschehen. Die bizarren und grotesken Bilder der Vorlage Hugos inspirieren Verdi zur kompositorischen Meisterschaft seiner mittleren Jahre: Die „Hm-ta-ta“-Begleitung des Orchesters mit dem ungestümen Elan der Melodie des Herzogs steht der Poesie der Kantilene Gildas und den seelischen Abgründen Rigolettos gegenüber, die vergnügungssüchtige Hofgesellschaft bleibt Folie und wird musikalisch karikiert.

Der Schluss, von Kritikern immer wieder als unglaubwürdig geschmäht, ist nur aus der Theatertradition des französischen Melodrams verständlich, das die Reconnaissance an den Schluss setzt, das Sichwiederfinden und Sicherkennen von Geliebten: Im Tod feiert Gilda die Utopie der Versöhnung. „Ich liebte ihn zu sehr, jetzt sterbe ich für ihn, vergebt ihm“, bittet sie sterbend den Vater.

„Rigoletto“ I Oper Köln I 31.3./4./9./12.4. I www.operkoeln.com


KERSTIN MARIA PÖHLER

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