Einer der wichtigsten und international gefragtesten Künstler ist derzeit Thomas Schütte. Was Schüttes Kunst auszeichnet, das erhellt eine umfassende Schau der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik, die sich einem zentralen Aspekt seiner Arbeit zuwendet: seinen Architekturmodellen. Mit diesen wurde Schütte seit den 1980er Jahren bekannt. Er hat etwa maßstabgetreue Platzsituationen, bei denen Treppen in die Tiefe führen, und tonnenförmige Gebäude, also plastische Architekturformen geschaffen, die er später in Richtung utopischer Hausmodelle erweitert und seit einigen Jahren auch lebensgroß, sozusagen bewohnbar realisiert hat. Dabei greift er Phänomene der jüngeren (deutschen) Geschichte und Gesellschaft auf. Aber Schütte wendet sich auch der menschlichen Figur zu. So stammen von ihm liegende weibliche Akte in Keramik und Bronze und riesige stehende, wulstige Figuren, die „Großen Geister“.
Thomas Schütte wurde 1954 in Oldenburg geboren, er hat an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert. Dreimal wurde er zur documenta eingeladen, ausgezeichnet wurde er u.a. mit dem Schwitters-Preis in Hannover, dem Goldenen Löwen der Biennale Venedig und in diesem Jahr mit dem Kunstpreis der Landeshauptstadt Düsseldorf. Aber all das wäre kein Grund, auf die Ausstellung in Bonn hinzuweisen, wenn Schüttes Werk in seiner Balance von Realität und Absurdität nicht so anregend wäre, mit einem Schuss pointierter Ironie.
Schüttes herausragende Rolle lässt sich einige Meter weiter überprüfen, auf der anderen Seite des Museumsplatzes. Dort, im Kunstmuseum Bonn, ist die Ausstellung „Der Westen leuchtet“ zu sehen, mit aktuellen Werken herausragender deutscher Künstler der letzten Jahrzehnte. Jeweils für sich in einem Raum präsentiert, sind u.a. Wandarbeiten von Isa Genzken, Figuren aus Lattenbündeln von Georg Herold oder abstrakte Malereien von Albert Oehlen präsentiert. Als Link wirkt noch der Beitrag von Thomas Schütte. Während in der Bundeskunsthalle seine Einmannhäuser ausgestellt sind, zeigt das Kunstmuseum deren Interieur, die Möbel.
Eine weitere Überblicksausstellung, die an all das anschließt, läuft noch einige Tage in Düsseldorf. Anlässlich der Wiederöffnung der Kunstsammlung NRW am Grabbeplatz wurde auch die Dependance im Ständehaus mit Installationen und Wandmalereien junger Kunst partiell neu gestaltet. Einiges davon ist missglückt – und doch, mit den genannten Bonner Ausstellungen ergibt sich ein guter Einblick in das aktuelle Kunstgeschehen. Thomas Schütte ist natürlich auch hier vertreten, nun mit den Figuren: als eine der Schlüsselpositionen der gegenwärtigen Kunst, weit über Deutschland hinaus.
Thomas Schütte: Big Buildings – Modelle und Ansichten I bis 1. November in der Bundeskunsthalle in Bonn I www.bundeskunsthalle.de
Der Westen leuchtet I bis 24. Oktober im Kunstmuseum Bonn www.kunstmuseum-bonn.de
Intensif-Station – 26 Künstlerräume I bis 4.9. in K21 Ständehaus in Düsseldorf www.kunstsammlung.de
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