Von Thomas Hirsch Bei aller inflationären Ausstellungsmacherei: Es gibt sie noch, die Wiederentdeckungen in der Kultur, auch in der älteren Kunst. Ein Beispiel dafür ist die prachtvoll inszenierte Ausstellung mit dem Maler Hans von Aachen im Suermondt-Ludwig-Museum. Dass Hans von Aachen (1552-1615) in weiteren Kreisen kaum bekannt ist, mag daran liegen, dass er eigentlich kein Neuerer ist. Dass er über Ländergrenzen hinweg tätig war und infolge des Dreißigjährigen Krieges zunächst ganz in Vergessenheit geriet. Erstmals also wird dieser zu seiner Zeit hochgerühmte Maler am Ausgang der Spätrenaissance umfassend gezeigt. Die Aachener Ausstellung ist die erste Station einer gemeinsamen Tournee mit Museen in Prag und Wien – wobei es einen direkten Bezug von Hans von Aachen zur namensgebenden Stadt gar nicht gibt. Vielmehr wurde er in Köln geboren, den Beinamen hat ihm sein Vater verliehen. Hans von Aachen wuchs im Rheinland auf, er wurde in die Kölner Malergilde aufgenommen und brach Mitte der 1570er Jahre zu einer 10jährigen Bildungsreise nach Venedig, Rom und Florenz auf. Hier lernte er, den handwerklichen Realismus mit südländischer Eleganz zu verbinden. Er war am Münchener Hof des bayerischen Herzogs tätig, ehe er ab 1596 als Hofmaler von Rudolf II. in Prag lebte. So virtuos Hans von Aachen in der Verschmelzung der unterschiedlichen Stile vorging, so vielseitig blieb er bei den Gattungen und Motiven. Am besten aber sind seine Portraits, in denen er Ausdruck mit feinen Anspielungen verknüpft. Schon dafür lohnt sich die Fahrt nach Aachen, lediglich die faden Wandtexte halten mit dem Niveau der Ausstellung nicht mit. Von Aachen nach Rolandseck, bei Bonn. Dort zeigt das Hans-Arp-Museum in einer kabinettartigen Präsentation Hauptwerke aus der Sammlung von Gustav Rau, die sich zu Hans von Aachen ergänzen, vereinzelt dem vorausgehen und bis in die klassische Moderne reichen. Darunter befinden sich Gemälde von Lucas Cranach d.Ä., El Greco und Monet. Auch der Sammler verdient Beachtung. Aus dem Erlös der elterlichen Fabrik in Stuttgart hat Gustav Rau (1922-2001) über vier Jahrzehnte umfassend gesammelt, ohne spezielle Vorlieben. Er selbst blieb lange anonym und engagierte sich als Tropen- und Kinderarzt in Afrika. Konsequenterweise hat Gustav Rau seinen Kunstbesitz UNICEF vermacht, nach 2026 dürfen für deren Zwecke die Kunstwerke veräußert werden, solange werden sie in Rolandseck vorgestellt. Ebenfalls im Sinne von Gustav Rau dürfte sein, dass in der jetzigen „Kunstkammer Rau“ inmitten der Gemälde auch eine Marmor- Plastik von Hans Arp steht, aus dem Besitz des Museums: Sie weist darauf hin, wo wir uns befinden, und dass hier, parallel dazu, eine Ausstellung mit Sophie Taeuber-Arp stattfindet. Auch die ist von großer Meisterschaft!
Hans von Aachen – Hofkünstler in Europa
bis 13. Juni im Suermondt-Ludwig-Museum Aachen
www.hans-von-aachen.com
Das Auge des Sammlers – Kunstkammer Rau
bis 29. August im Arp-Museum Bahnhof Rolandseck
www.arpmuseum.org
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