„Die Limpe waas, wo die Aans is“, schwor der Pianisten-Guru Friedrich Gulda auf die Qualitäten der Aktionskünstlerin und Musikerin Limpe Fuchs. Der Gulda, das war einst ein starker Typ, der gern mal nackert ins Klavier stieg, gar nicht zum Konzert erschien oder statt Mozart Monk vortrug. Selbst vom Tod wollte er sich nicht kassieren lassen, setzte eine Todesanzeige in die Zeitung und feierte kurz darauf seine Wiederauferstehungsparty. Das war total abgedreht und passte in die wilden Siebziger. Aber es gibt auch heute, bald ein Jahrzehnt nach Gulda, Künstler, die gegen oder für eine Sache antreten, Menschen wie oben genannt Limpe, die mit der „1“, die faszinierend durchhalten und sich weiterentwickeln, manche gegen den breiten Strom, andere mit neuen Farben im Mainstream der Musik. Vier internationale Instrumentalisten streifen im Festspielmonat Juli unsere Region mit erzählenswerten Geschichten. Der erste heißt Pat Martino und galt bereits Ende der Siebziger als ein mitreißender und ganz individueller Gitarrenvirtuose des Jazz. Dann stellte die Ärzte ein Aneurysma in seinem Schädel fest und operierten ihn: Pat verlor vollständig sein Gedächtnis. Er wusste gar nicht mehr, dass er Gitarre gespielt hatte. Rund fünfzehn Jahre später war er wieder da, heute klampft er besser als je, am 3. Juli im Alten Pfandhaus in Köln. Die Dokumentation „Open Road“ verfilmte übrigens 1995 dieses Wunder. Limpe Fuchs, die Großmutter der „kaputten Musik“ der 60er (Vorläufer von Punk und House), die geborene „Off Beat Person“, wie Kollegen konstatierten, gastiert drei Tage später im Kölner Loft. Eigener Garten, Erziehung von 3 Kindern, Pferde und Kuhhaltung, Käseherstellung, Wollverarbeitung – trotz ambitionierter Hausfrauenarbeit war sie eine der ersten starken Frauen in der freien improvisierten Musik. Albert Mangelsdorffs einst sorgenvoll formulierte Frage “Wann übst du?“ beantwortet Limpe heute: „Jetzt!“ Ihre szenisch strukturierte teilimprovisierte Kammermusik zeigt die Komponistin akustischer und visueller Ereignisse im Kölner Loft am 6. Juli. Wieder drei Tage später gastiert Charlie Haden mit seinem Quartet West im Pfandhaus, er gibt bei diesem einzigen Termin in Deutschland zwei Konzerte hintereinander. Dieser Großmeister am Kontrabass leidet an großer Geräuschempfindlichkeit, ihm klingeln die Ohren, ein Tinnitus aureum. Anstatt auf dem verdienten Senioren-Ohrensessel zu parken, reist dieser besessene Musikus um die Welt, um seine Musik zu spielen – je nach Bühnegröße isoliert von den Kollegen in einem Plastikkäfig. In Köln spielt das Quartett akustisch, im intimen Rahmen und ohne Käfig. Der vierte ganze Kerl wäre in seiner Fantasie gern ein Drache. Lang Lang heißt das pianistische Showstück, und keiner rollt eindrucksvoller die Augen, wenn er vollgriffig in Tschaikowskys Klavierkonzert einsteigt. Aber anstatt lebenslang mit dem schönen Simon Rattle Waldbühnenkonzerte zu geben, tritt Lang Lang vehement für die zeitgenössische Musik Chinas ein. In Essen gibt er im Juli gleich mehrere Konzerte, u.a. mit Werken von Tan Dun, dem angesagten Kompositions-Exportschlager Chinas in Sachen kultureller Tradition. Wer kein Geld hat für asiatische Urlaubsreisen, lässt China einfach kommen; oder fährt zur Oma nach Köln.
www.klavierfestival.de, www.philharmonie-essen.de,
www.altes-pfandhaus.de, www.loftkoeln.de
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