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Michael Wolgemut: Tanz der Gerippe
Foto: © Grafiksammlung Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Ein Lob dem Gerippe

23. Februar 2012

Das Tödlein aus der Sammlung Ludwig in Oberhausen - Kunstwandel 03/12

Eine überaus vergnügliche Reise in den Tod bietet die Ludwig Galerie im Schloss Oberhausen mit ihrer „Vanitas Vanitatum!“-Ausstellung über Todesdarstellungen in der Frühen Neuzeit – obwohl die Erzeuger der Exponate dies wohl nicht so gemeint haben. Oder vielleicht doch? Was soll man davon halten beim Betrachten von „Tanz der Gerippe“ (Michael Wolgemut, 1493), wenn johlende Gebeine sich um eine winkende Leiche scharen, während eine Dame mittut, schon stark verwesend, die ihre Scham mit heraushängenden Gedärmen überdeckt? Gerahmt mit lateinischen Versen von Francesco Petrarca werden hier doch nicht nur die Verfallszustände des Leichnams dokumentiert – oder macht es etwa Sinn, dass das Gerippe im Grab immerhin noch mit einem unversehrten Arm winken kann?

Im visuellen Mittelpunkt der feinen Schau steht in feinster Schnitztechnik das elfenbeinerne Tödlein in seinem gläsernen Sarg. Das 36 Zentimeter lange Kleinod ist 1520 in der Westschweiz entstanden und sollte damals eine universale, aber doch eine erschreckende Botschaft von der Vergänglichkeit des Lebens überbringen: Wimmelndes Gewürm kündet dort von der Sündhaftigkeit des Menschen. Kröten und Schlangen stehen für Höllengetier, und die Fliegen, das Teufelszeug des Mittelalters, nehmen sogar den Platz des Herzens ein. Der Blick auf den verwesenden Körper in einem mit Intarsien aus Ebenholz geschmückten Kasten ist selbst bei geschlossenem Deckel durch die gläsernen Seitenwände ungetrübt. Dieses Stück Erinnerungskultur ist das Highlight der Sammlung von Irene und Peter Ludwig. Auch spektakulär dreidimensional ist der sogenannte Baseler Totentanz, der heute „Zizenhausener Totentanz“ heißt, weil die 42 plastischen Tonfigürchen um 1835 von dem dort ansässigen Tonplastiker Anton Sohn nach den Motiven aus Basel gebrannt wurden. Der schweizerische Stadtrat hatte die wohl im 15. Jahrhundert entstandene, 60 Meter lange Wandmalerei 1805 kurzerhand wegen Baufälligkeit abreißen lassen. Denkmalschutz war eben damals noch kein touristisches Marketinginstrument, dafür aber der Handel mit den kleinen beliebten Skulpturengruppen, in denen der Tod weder vor König noch Papst, vor Handwerker oder Bettler Halt macht.

Der Tod bleibt eben immer Sieger. Quis evadet? (Wer kann entrinnen?) fragt Hendrik Goltzius (1558-1617) auf seinem Kupferstich, der vielsagend eine pralle Putte zeigt, die sich mit Seifenblasen vergnügt, während sie sich auf einen Totenschädel stützt. Diese Frage beantworten auch die zahlreichen anderen Grafiken in Oberhausen, die auch aus der Sammlung „Mensch und Tod“ der Heine-Universität Düsseldorf stammen. Sie zeigen den Sensenmann mal als Held in Pose, mal als Horrorgestalt unter den Lebenden. Stundenglas oder verwelkende Blumen dienen der zeitlosen Symbolik, die sich bis heute, denken wir an zeitgenössische Vanitas-Serien von Lüpertz und Co., erhalten hat. Sehenswert natürlich auch die anzüglichen Stiche, bei denen der Tod mal ein Liebespaar überrascht (Jobst Amman 1578), oder morbide Power-Erotik bei „Der Tod und die drei nackten Weiber“ (1550) von Hans Sebald Beham.

„Vanitas Vanitatum!” I bis 6. Mai I Ludwig Galerie Oberhausen

PETER ORTMANN

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