Die Kulturhauptstadt wird von den Szenen der Subkultur allenfalls mit einem Schulterzucken aufgenommen. Dass kleine Strukturen durch den großen Zauber 2010 Unterstützung erfahren könnten, wagen Firmen wie der Duisburger Verlag und Mailorder Plastic Bomb nicht einmal mehr zu hoffen.
„Nö, da haben wir gar nichts mit zu tun“, sagt Michael Will fast schon etwas verdutzt. Gemeint ist die Kulturhauptstadtinitiative, die nächstes Jahr auch in seiner Stadt für blühende Landschaften sorgen soll. Und eigentlich ist der Gedanke, Will sei daran in irgendeiner Form beteiligt, gar nicht so abwegig. Schließlich ist die von ihm mitbegründete Firma Plastic Bomb mit ihrem Fanzine, dem Label und dem Versand eine der wichtigsten Institutionen für die nationale Punkszene. Außerdem sitzt sie eben nicht in Köln, Berlin oder Hamburg, Orten, in denen man sie wohl vermutet hätte. Sondern tatsächlich vollständig im Ruhrgebiet.
Über die Stoßrichtung der kommendes Jahr dargebotenen Kultur gibt sich Will keinen Illusionen hin: „Die fördern ja eh nur die ‚Hochkultur’. Für unsere Subkultur hatten die noch nie etwas übrig, und so wird es auch in Zukunft bleiben.“ Diese Einschätzung ist tatsächlich unter Funktionsträgern von Ruhrgebietssubkultur weit verbreitet, und selbst diejenigen, die darüber vor einigen Monaten noch enttäuscht waren, haben sich damit mittlerweile arrangiert und sehen 2010 sehr gleichgültig entgegen. Von dem immer noch gültigen Ziel, "den Reichtum, die Vielfalt und die Gemeinsamkeiten des kulturellen Erbes in Europa herauszustellen“, ist offensichtlich eine nur noch sehr eingeschränkte Sparversion übrig geblieben, die weite Teile des subkulturellen Lebens ignoriert. Das war erwartbar, und Strukturen wie die des Plastic Bombs sind darüber nicht einmal sauer. „Man muss halt wie schon immer alles selbst machen, und wir machen auch gerne alles selbst. Wir brauchen auch keine Förderung“, sagt Will. Das Plastic Bomb hat sich mit all seinen Aktivitäten seine Nische geschaffen, aus dem 1993 gegründeten Fanzine, mittlerweile auch am Bahnhofskiosk erhältlich, ist nach und nach ein Label, ein Mailorder, eine T-Shirt-Druckerei und einiges mehr erwachsen. Man setzt auf den engen Kontakt zur und Austausch mit der Szene, fast alle Mitarbeiter sind darin auch neben dem Plastic Bomb engagiert, beispielsweise in Clubs und alternativen Zentren. Hier denkt niemand an Zuwachsraten, das Potenzial der Szene ist groß genug, um das Überleben zu sichern, und das reicht. Um den Kontakt zu halten, veranstaltet das Plastic Bomb auch selbst Partys und Konzerte, demnächst wieder am 26. und 27.6. im Oberhausener Druckluft. Und irgendwie wird man den Eindruck nicht los, dass Aktionen wie diese letztendlich deutlich lebendiger und für das kulturelle Leben der Region effektiver sind als Tafeln auf der A40.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Intime Weltenwanderer
Markus Stockhausen und Ferenc Snétberger im Parkhotel Engelsburg – Improvisierte Musik in NRW 12/24
Tolerante Szene
An diesem Abend gehen Kölner Jazzbühnen fremd – Improvisierte Musik in NRW 11/24
Nordisches Spitzenprodukt
Rymden am Theater Krefeld – Improvisierte Musik in NRW 10/24
Experimentell und innovativ
3. New Colours Festival in Gelsenkirchen – Improvisierte Musik in NRW 09/24
Immer eine Uraufführung
4. Cologne Jazzweek – Improvisierte Musik in NRW 08/24
Ein Abend für den Duke
Jason Moran und die hr-Bigband in Duisburg – Improvisierte Musik in NRW 07/24
Musikalische Eröffnung der EM
Bundesjazzorchester mit Tom Gaebel in Dortmund und Köln – Improvisierte Musik in NRW 06/24
Verschiedene Welten
Drei Trompeter besuchen das Ruhrgebiet – Improvisierte Musik in NRW 05/24
Besuch von der Insel
„Paul Heller invites Gary Husband“ im Stadtgarten – Improvisierte Musik in NRW 04/24
Pure Lust an der Musik
Das Thomas Quasthoff Quartett im Konzerthaus Dortmund – Improvisierte Musik in NRW 03/24
Kleinstes Orchester der Welt
„Solace“ in der Friedenskirche Ratingen – Improvisierte Musik in NRW 02/24
Mit zwei Krachern ins neue Jahr
Jesse Davis Quartet und European All Stars in Köln – Improvisierte Musik in NRW 01/24
Sturmhaube und Ballonmütze
Gregory Porter in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 12/23
Balladen für den Herbst
Caris Hermes Quintett in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 11/23
Wonnemonat für Fusionfans
Drei E-Gitarren erobern das Ruhrgebiet – Improvisierte Musik in NRW 10/23
Funk und Soul mit fetten Sounds
„Tribute To Curtis Mayfield“ in der Kölner Philharmonie – Improvisierte Musik in NRW 09/23
Die Trommel mal ganz vorne
„Schlagzeugmarathon“ in Essen – Improvisierte Musik in NRW 08/23
Bird with Strings
Karolina Strassmayer in Essen – Improvisierte Musik in NRW 07/23
Tüchtige Kellerkinder
Subway Jazz Orchestra feiert zehnten Geburtstag – Improvisierte Musik in NRW 06/23
John Scofield allein zu Haus
Der große Gitarrist in Oberhausen – Improvisierte Musik in NRW 05/23
David Murray auf Hochtouren
„International Jazz Day“ auf Burg Linn – Improvisierte Musik in NRW 04/23
Es klingelt das Vibraphon
Wolfgang Lackerschmid im Jazzkeller Krefeld – Improvisierte Musik in NRW 03/23
Sisters in Jazz
Cæcilie Norby und Band in Bad Hamm – Improvisierte Musik in NRW 02/23
Je bunter, umso besser
„Die Verwandlung“ in Wuppertal, Köln und Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 01/23
Den Eisbär im Programm
JugendJazzOrchester NRW im Stadtgarten Köln – Improvisierte Musik in NRW 12/22