Die Rettung von Odonien wurde letztlich zum Politikum. Aus Sicherheitsgründen und aufgrund eines fehlenden zweiten Rettungsweges sollte mit Odonien kurzerhand ein weiterer Ort alternativer Subkultur in Köln geschlossen werden. Doch die Bauaufsicht hatte die Rechnung ohne den Wirt und ohne die Fangemeinde des beliebten Zentrums gemacht.
Odonien: Ein Ort für Kunst und Kreativität auf einem Ateliergelände, gleichzeitig ein Angebot an die Öffentlichkeit und für Kulturschaffende, in diesem „privatinitiierten Kulturort“ Raum und Freiheit für ihre Kunst zu nutzen, zu arbeiten und zu feiern. Der bekannte Skulpturenpark des Künstlers und Betreibers Odo Rumpf, die Odonien-Partys und die vielfältigen Möglichkeiten zur Kreativität für freie Künstler bilden seit 2007 eine Oase alternativer Kultur in Köln-Ehrenfeld.
Mit den spontan entstandenen Sympathie- und Solidaritätbekundungen im Internet und bei der Demonstration für den Erhalt des alternativen Kulturzentrums auf dem Rudolfplatz am 26. Mai wurde eine Diskussion angestoßen, die nicht mit einem Beschluss zum Fall Odonien beendet sein wird.
Seit dem Unglück bei der Love Parade in Duisburg 2012 klingeln bei Behörden die Alarmglocken, wenn es um das Thema Sicherheit geht. Nachvollziehbar und in der Sache richtig, doch würden gerade im Falle Odonien Äpfel mit Birnen verglichen, so Odo Rumpf, Betreiber des Kulturzentrums. Die Baulichkeiten wurden von Zuständigen nicht ausreichend vor Ort geprüft, sondern wurde aufgrund des Lage Odoniens beschlossen (direkt an den Bahngleisen gelegen, kein zweiter Rettungsweg vorhanden), dass gravierende Sicherheitsmängel vorlägen. Diese rechtfertigten somit eine Schließung der beliebten Kölner Kulturoase. Die bestehenden gültigen Baugenehmigungen für das Gelände trugen den gewachsenen Formaten der Veranstaltungen und damit der Anzahl der Zuschauer nicht mehr Rechnung. Schon seit dem letzten Jahr hatte der Betreiber darauf gedrängt, entsprechende Gutachten seitens der Stadt, der Feuerwehr und des Brandschutzes zu erhalten, ohne nennenswertes Ergebnis. Es stellt sich die berechtigte Frage, warum diese Sicherheitsmängel nicht schon viel früher erkannt und dementsprechend gehandelt wurde. Warum also wurde so plötzlich und so schnell eine Verfügung zur Schließung der Kulturoase erlassen? Besonders denkwürdig: Die Verfügung genehmigte noch eine letzte Veranstaltung des Sommerblut-Festivals auf dem Gelände des Odonien, anschließend sollte Sense sein.
Die Vorgehensweise der vergangen Monate und insbesondere der letzten Wochen ließen den nicht unberechtigten Verdacht aufkommen, es gäbe ein Interesse an der Schließung von Zentren alternativer Subkultur oder zumindest ein aktives Desinteresse an ihrem Erhalt.
Zuletzt war dies mit den ebenfalls beliebten Clubs „Papierfabrik“ und „Sensor Club“ geschehen – zwar aus einem anderen Hintergrund, doch fällt das mangelnde Engagement seitens von Entscheidungsträgern auf, Subkultur in seiner gewachsenen Form zu erhalten oder gar zu fördern.
„Diese Sicherheitsmängel sind letztlich Auslegungs- und Ermessensache“, so Odo Rumpf. Die Lehren aus Fällen wie Duisburg, den Reizgasangriffen in Diskotheken und ähnlichen Vorfällen wurden zwar gezogen: Doch nun werden sehr unterschiedliche Ausgangssituationen mit immer der gleichen Schablone gemessen.
„Ich sage nur noch Veranstaltungen ab“, sagte Betreiber Odo Rumpf kurz nach Bekanntgabe der Schließungsverfügung. Dass mit der Schließung Odoniens nicht nur ein Ort alternativer Kultur, sondern auch Existenzen gefährdet wären, liegt auf der Hand.
Doch Odonien ist vorerst gerettet – unter strengen Auflagen. Am Donnerstag, dem 31. Mai hatte ein klärendes Gespräch zwischen dem Chef des Kulturamtes, einem Vertreter des Oberbürgermeisters, Betreiber Odo Rumpf sowie seinem Rechtsanwalt stattgefunden. Nicht zuletzt dank der vermittelnden Rolle des Ehrenfelder Bezirksbürgermeisters Joseph Wirges ist die Fortführung des Veranstaltungsbetriebes sowie des Biergartens in Odonien unter Auflagen erlaubt.
Veranstaltungen mit einer Personenstärke von bis zu 500 Personen dürfen stattfinden, ein zweiter Rettungsweg ist zunächst nicht notwendig, wenn der Zugang zum Gelände auf zehn Meter verbreitert wird. Lärmschutz und Rückzugsflächen für das Publikum müssten ebenfalls vorhanden sein. Für größere Veranstaltungen ab 500 Personen werde ein zweistufiges Baugenehmigungsverfahren aufgenommen, um einen zweiten Rettungsweg einzurichten. Die Einrichtung desselben hängt nicht zuletzt von den direkten Grundstücksnachbarn ab, in diesem Falle vom Betreiber des angrenzenden „Pascha“-Clubs, dem größten Bordell Europas.
Ob unter den jetzt herrschenden und etwaigen zukünftigen Auflagen das Odonien finanziell weiter bestehen kann, bleibt jedoch eine offene Frage.
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