Vor dem iPhone gibt es kein Entkommen. Immer wenn an einer der zahlreichen Hochkulturspielstätten des Ruhrgebiets in Großbuchstaben “POP” angeschlagen ist, kann man sich einer Sache sicher sein: Während der Zugabe wird der Blick auf die Bühne durch ein grobpixeliges Handy-Display in der Reihe vor einem verdoppelt. Was allerdings kein Grund zur Beschwerde sein sollte. Schließlich sitzt man bequem, der Sound ist frei von ungewollten Rückkopplungen und die musikalische Qualität der Künstler spricht für sich. Sonst würden sie ja weiter in ranzigen Clubs und nicht auf der Bühne von Konzerthäusern spielen, oder?
Wenn es denn so einfach wäre. Eine Auszeichnung für musikalische Qualität ist das Pop-Engagement der E-Musik-Intendanten nur vordergründig. Egal, was die ein wenig bemüht wirkenden Superlative in den Programmheften nahelegen. Denn den hoch subventionierten Spielstätten fehlt der Nachwuchs – nicht auf, sondern vor der Bühne. Und um diesen zu erreichen, probt man ausgerechnet dort die Anpassung an den Geschmack des Bildungs-Normalverbrauchers, wo man dank öffentlicher Gelder dem Experiment den Vorzug geben könnte: deutscher Pop mit Texten zwischen kumpelhafter Bierseligkeit und intelligenter Distinktionsgeste, gefühligem Folk und etablierte Songwritergrößen. So versucht man, ein Publikum zu erreichen, das dem etablierten Konzerthauspublikum gleicht: gebildet und gut verdienend oder zumindest auf dem Weg dorthin, die Lieblingsmarke dürfte wohl bekannt sein. Nur an den Manieren mangelt es noch ein wenig, weshalb der Rahmen halt traditionell gehalten bleibt: Bestuhlung, zu Konzertbeginn verschlossene Türen und Garderobenzwang. Der Konzertbesuch als Kapitel in der sinnlos gewordenen Form des Bildungsromans.
Dabei schließen sich E-Förderung und eine ernste Auseinandersetzung mit Pop nicht grundsätzlich aus. Zumindest dann nicht, wenn man Popmusiker nicht als profitable Anhängsel am Rockzipfel der eigenen symbolischen Ordnung betrachtet. In der gescheiterten Kulturhauptstadt Köln nutzt die Reihe „Playing Gender“ die städtische Infrastruktur, um die Verknüpfungen zwischen Feminismus und Pop sichtbar zu machen, deren Wert ohnehin nur schlecht beziffert werden kann. Die Organisatoren des Jazz-Festivals in Moers kennen die Grenzen ihres recht weit gesteckten Begriffs von Jazz und lassen die Noisepunk- und Experimentalelektronic-Acts nicht vor dem eher wertkonservativen Publikum im Festzelt, sondern an eigenen Orten mit günstigem oder freiem Eintritt spielen. Und im Dortmunder Süden lädt das Team des Hartware MedienKunstVereins regelmäßig Elektronikmusiker aus der Region und dem Rest der Welt ein, weil sie thematisch ihre Ausstellungen ergänzen – egal ob mit oder ohne Diplom. Aber mit der Sicherheit, dass die iPhone-Dichte dort auch nicht geringer sein wird.
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