Jahrzehntelang war das Ruhrgebiet auch dafür bekannt, musikalischen Nischen eine Heimstatt zu bieten. Davon ist in Zeiten, in denen sich jede Kommune auf Massenveranstaltungen kapriziert, nicht mehr viel zu spüren. Ausnahmen gibt es aber dennoch. Etwa das in der Essener Weststadthalle stattfindende Denovali Swingfest.
Das Swingfest, ein erstmals über drei Tage laufendes Indoor-Festival, ist dabei nur die Speerspitze einer aktiven kleinen Struktur rund um Freunde und Musik-Liebhaber, die weltweit ihre Fans hat, in der Heimat aber weitgehend unterhalb des Radars der Nachbarn und Bewohner abläuft. Grund dafür ist nicht zuletzt die Musik, die Denovali auch als Plattenlabel und Konzertagentur repräsentiert: Wirklich eingängig ist nur wenig, die Stilistiken gehen von Postrock über Noise und Doom bis hin zu Ambient und Free Jazz. Allesamt experimentelle Genres, die dem Hörer eine besondere Hingabe abverlangen, die dann aber intensiver wirken als das Radiogedudel der Ottonormalverbraucher. In diese Richtung geht auch das Credo der beiden Denovali-Hauptverantwortlichen: Man muss nicht alles gut finden, was die Masse feiert. Und mitmachen muss man schon lange nicht.
Ganz folgerichtig äußert sich Timo, einer der beiden Labelbetreiber und Festival-Organisatoren: „Andere Festivals leben sehr stark davon, dass die Besucher mit dem Festivalwochenende eine Art Partygefühl verbinden. Wir sind ehrlicherweise keine Fans solch einer stereotypen Eventkultur. Für mich besteht kein großer Unterschied zwischen dem Kölner Karneval, dem Oktoberfest, diesem Rudelfußballgucken zu großen Turnieren und Festivals à la Bochum Total oder Rock Am Ring. Das heißt nicht, dass es auf dem Swingfest staubtrocken und elitär zugeht – allerdings bringt ein Swingfestbesucher wohl ein intensiveres musikalisches Interesse mit als jemand, der eines der typischen großen Outdoor-Festivals besucht.“ Dieser Blickwinkel findet sich ganz und gar in der Stimmung des Swingfestes wieder. Auch wenn die neue Location größer ist als das alte und mittlerweile leider geschlossene Juze Paapestraße, überzeugt das Swingfest durch seine interessierte und konzentrierte, aber gleichzeitig auch lockere und fröhliche Atmosphäre, zu der Besucher aus buchstäblich der ganzen Welt beitragen. Sie alle eint ein nicht ganz alltäglicher Geschmack in Sachen Kunst und Musik, der sich teilweise auch am Äußeren der Leute darstellt.
Musikalisch ist das Swingfest sowieso über jeden Zweifel erhaben: In seinem Spannungsfeld bildet es jedes Jahr verlässlich den Stand der Dinge ab und ist darin mittlerweile derart profiliert, dass es schon längst unter förderungswürdige Kulturveranstaltungen fallen sollte. Diesen Stress tun sich die Denovali-Leute aber doch nicht an. Betont bleibt man überschaubar groß und steht zu den DIY-Prinzipien, die Punk und Hardcore hervorbrachten. An den Festivaltagen selbst bauen sie auf ein Netzwerk aus Freunden und Unterstützern. Wenigstens darin zeigt sich, dass Nischen auch im Ruhrgebiet noch die Chance haben, zu überleben.
Denovali Swingfest I Weststadthalle Essen I 30.9.-2.10. I
www. denovali.com/swingfest/
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