Niemandem gelingt es so gut die Promis aus der Reserve zu locken, wie Roxanne Lowit. Für sie küsste Yves Saint Laurent das Empire State Building, Roy Lichtenstein und Robert Rauschenberg schmusten vor ihrer Kamera und Kate Moss und Designer John Galliano verknoteten ihre Zungen für ein Bild von Roxanne Lowit. Dort, wo niemand hin kommt, in den Backstage-Bereich der großen Modeschauen, ist sie zuhause. Die gebürtige New Yorkerin stammt eben selbst aus der Branche, sie arbeitete in den siebziger Jahren als Modesdesignerin und entdeckte bei einem Ausflug mit Yves Saint Laurent auf den Eiffelturm, dass sie die Kodak 110 Instamatic noch mehr liebte, als den Zeichenstift. Seit 30 Jahren fotografiert sie im Allerheiligsten der Modebranche und knipst ihre Freunde schelmisch auf den After-Show-Parties, wo jeder mindestens ein Glas über den Durst trinkt.
Grenzen werden gerne überschritten, wenn die Anspannung des Jobs purer Lebensfreude gewichen ist und mit den Hemmungen auch die Blusen fallen. Erstmals ist jetzt in Deutschland eine Einzelausstellung der amerikanischen Starfotografin zu sehen. Die Kölner Galerie Kaune, Sudendorf zeigt die Serie „Legendary Privacy“. Lowit fotografiert nicht im Stil eines Paparazzo, die obszöne Entdeckung bleibt der Amerikanerin fremd, es ist vielmehr jener augenzwinkernde Moment, in dem zwischen ihr und ihren Modellen das spontane Einverständnis gezündet wird, etwas Verrücktes zu tun, der den Reiz dieser Bilder ausmacht. Wer bringt schon Naomi Campbell, Linda Evangelista und Christy Thurlington dazu, die drei weisen Affen zu imitieren, die nicht hören, sehen oder reden wollen? Und wem liefert sich Helmut Newton so hemmungslos aus, dass er sich wie ein Dreijähriger im Kindergarten fotografieren lässt, der gerade glückstrahlend sein Lieblingsspielzeug, die Kamera, entdeckt hat? Dieser Humor verleiht den Fotografien der Amerikanerin jenen göttlichen Funken, der für einen Augenblick eine Überschreitung aller Konvention dokumentiert und spürbar macht. Manchmal ist es auch nur ein Quatsch, den man vor der Kamera macht, man inszeniert sich, aber das geschieht ohne Ansage. Die Ausstellung zeigt Aufnahmen mit Andy Warhol, Salvador Dali, dem jungen Robert DeNiro oder einem bärtigen Mick Jagger, die zwischen 1979 und 1999 entstanden. Eine Zeit, in der die Superstars der Kunst- und Modeszene noch wie eine große Familie miteinander verkehrten. Heute sind beide Szenen auseinander gebrochen, die Kunst spielt keine vergleichbar dominante Rolle mehr und der Mode fehlen die charismatischen Persönlichkeiten. In den Bildern von Roxanne Lowit springt die Lust an der Selbstdarstellung der smarten Jungs wie David Bowie, Damien Hurst oder Julian Schnabel, die cool an ihren Zigaretten ziehen, noch über. Mit soviel Selbstironie macht das Spektakel der prominenten Selbstdarsteller Spaß, weil Roxanne Lowitt mit ihnen und zugleich über sie lacht.
„Roxanne Lowit – Legendary Privacy“ | Bis 3. September | geöffnet Di-Sa 13-18 Uhr | Albertusstr. 26 | www.ks-contemporary.com
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