Blasmusik, och ja, dicke Backenmusik, och nee, muss nicht sein. Bayerische Blechbläser in Krachledernen, die können gut sein, müssen aber nicht. Trompetende Volksmusikstars oder als Kölner Spezialität karnevalistische Trompetenvirtuosen, die sich im Studio von jungen Studierten die Titel aufblasen lassen – nee, darf eigentlich nicht sein. Aber all das ist genau so seit Jahren, und diese klingende Apokalypse hat das Bild von der Blasmusik geprägt wie Mathis der Maler die Vision von den Schrecken des jüngsten Gerichts. Dabei gilt gerade für die Blechblasmusik: Es existiert gute und schlechte, und das in allen Sparten und zu allen Zeiten.
Deshalb greifen die Herren im Frack, allesamt Spitzenkräfte der Blechblaskunst mit fester Stelle bei den Münchener Philharmonikern, wie Zeitreisende auf Musiken verschiedener Jahrhunderte zurück. Bob Ross, Hornist mit Bayreuth-Erfahrung, hatte als Schotten-Kid die hohen Weihen des Blechblasens kennenlernen dürfen, eine Extraportion trockenen Humor gab es gleich mit in die Wiege. Auch die Engländer und die Amerikaner sind für ihre großen Blechblas-Talente berühmt: Alle vereint das Multikulti-Ensemble „Blechschaden“ seit nunmehr 25 Jahren. Zum Jubiläum erschien nach sieben langen Jahren wieder eine CD, der Titel „Up Frack Prämie“ verrät schon, dass hier keine bierernste Klassik vorgetragen wird. Zweimal schon fuhren die fein gezwirnten Herren für ihre Produktionen den begehrten Preis „Echo Klassik“ ein, der gern an Künstler verliehen wird, die schon mal über den Tellerrand schauen; und das geschieht bei Blechschaden.
Zum einen sind es im Live-Konzert die netten Anekdoten und Witze, die Bob Ross beisteuert. Er moderiert den Abend. Zum anderen sind es die Blechschäden, entstanden bei Kollisionen zwischen Titeln wie Lalo Schifrins Filmklassiker „Mission Impossible“ und dem durch Dave Brubeck berühmt gewordenen „Take five“, einem der wenigen Jazz-Megaseller der Jazzgeschichte. Heraus kommt „Take Mission“, und Arm in Arm schaukeln die Stücke verliebt im 5/8-Takt. Die Blechschädlinge, die so viel Gutes für ihren Stand bereits geleistet haben, verquirlen so einen Tango mit „Für Elise“ und Pop-Erfolge wie „We will rock you“ und „We are the champions“ zur Hymne für Tanzfläche und Fußballstadion – dies alles natürlich immer im Glanze ihrer Instrumente und auf technisch höchstem Niveau. Selbst für einen Alphorn-Dialog
bleibt Zeit: In der freien Natur könnten die Solisten ihr Gespräch über eine Distanz von rund zehn Kilometern führen – das lässt sich aus technischen Gründen in geschlossenen Räumen eher selten nachstellen. Elton Johns „Your Song“ erklingt auf
dem Euphonium, ein Evergreen auf einem wahren „Schönklinger“ ganz in Blech. Die Bläser von Blechschaden erwischen mit ihrer wilden Mischung wirklich jeden Musikfreund, das führt zu einer dichten Besucherrate bei den Konzerten. Selbst für die Musical-Fans singt Kathrin, Tochter des Trompeters Franz Unterrainer, zumindest auf der Platte „Ich gehör nur mir“ aus „Elisabeth“ – Blechbläser kennen keinen Schme ..., äh, keine Berührungsängste.
Konzert in der Philharmonie in Essen I 6.2., 17 Uhr I www.blechschaden.de
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