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Maddalena de‘ Pazzi
Bild: Little Pictorial Lives of the Saints, gemeinfrei

Unendliches Schwarz

28. August 2019

Salvatore Sciarrinos „Infinito nero“ – Opernzeit 09/19

Zu Beginn ist nichts zu hören, dann steigen aus der absoluten Stille menschliche Atemgeräusche auf. Unmittelbar überträgt sich der Atemduktus auf die Zuhörenden und das Gehörte versetzt in die Innenwelt der Protagonistin. Die ekstatischen Äußerungen der Maria Maddalena de‘ Pazzi nehmen Gestalt in der Stimme an, die durch die Nonne spricht und sie verschiedene Heilige verkörpern lässt. Sciarrino entlehnt in seinem Libretto einzelne Sätze und Worte aus den Berichten der Mitschwestern über die Ausbrüche der Karmeliterin, die 1607 starb und 1669 heiliggesprochen wurde. Während ihrer Visionen sprach sie ungeheuerlich schnell und kaum verständlich, so dass vier Protokollantinnen den Text laut nachsprachen und vier andere eilig das aufschrieben, was sie davon mitbekamen.

Sciarrino sieht in diesen Visionen etwas Psychopathologisches und erkennt dahinter eine große Angst, die er in die Sprachklänge eines selbstvergessenen Sprechens fasst. Das eigentliche Drama ereignet sich nicht in einer äußeren Handlung, sondern im verinnerlichten Klang. Mit dem Ziel einer „Verinnerlichung des Theaters in die Musik“ schafft der Komponist einen neuen Gesangsstil, die „sillabazione scivolata“, eine gleitende Silbenartikulation. Ein lang gezogener Ton schwillt an und mündet in einer schnellen Abwärtsfiguration, die zwischen Singen, Sprechen und Stille wechselt.

Sciarrino kürzt die Textvorlage radikal, selten bleiben ganze Sätze übrig, Textfetzen bringen das sprunghafte psychische Erleben zum Ausdruck. In dem kammermusikalischen Instrumentalsatz für acht Musiker finden sich auch „Überschreibungen“ von existierenden Kompositionen, wie in fast allen Opernwerken Sciarrinos. Dabei nutzt der Komponist vielfältige Möglichkeiten, den Klang der Instrumente zu verfremden, so dass die Musiker unerhört filigrane Klänge erzeugen, die gerade im Stillstand ihr gewaltiges Spannungspotenzial entfachen. Er schreibe keine Musik, sondern psychologische Erfahrungen, sagt Sciarrino über sein Komponieren.

„Meine Werke sind nüchtern, das ist ein wichtiges Element, wenn man Musik hört... und das ist ihre einzige Möglichkeit unser Fleisch zu durchdringen und uns in der Tiefe zu erreichen“, sagt Sciarrino.

Wo zu sehen in NRW?

Oper Bonn | 26., 28., 29.9. je 20 Uhr | 0228 77 80 08

Kerstin Maria Pöhler

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