„Ich beneide die Japaner um die ungemeine, saubere Klarheit, die alle ihre Arbeiten haben“, hat Vincent van Gogh an seinen Bruder Theo geschrieben. „Das ist so einfach wie Atmen, und sie machen eine Figur mit ein paar sicheren Strichen mit derartiger Leichtigkeit, als wäre das genauso einfach, wie seine Weste zuzuknöpfen.“ Wie recht er hatte und wie das zu verstehen war, demonstriert jetzt eine prächtige Ausstellung im Museum Folkwang in Essen. Ihre Leistung ist, dass sie die japanische Kunst und die Objekte zwischen Kulturgut und Gebrauchsgegenstand (die Keramiken, die Kleidungsstücke, die Fächer, die Masken) in Beziehung zu den Gemälden der Pariser Avantgarde setzt.
Japan: Das war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das ferne, abgeschottete Land, das man selbst kaum erreichen konnte. Aber nachdem die Amerikaner 1854 die Öffnung Japans erzwungen hatten, wurden alle Informationen von dort mit großem Interesse verfolgt, besonders in Frankreich und England. Die Begeisterung wurde zur Mode, die in die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft reichte. Dazu trugen noch die Weltausstellungen 1867 und 1878 bei, in deren Folge sich Händler für die japanischen Güter in Paris niederließen. Die Farbholzschnitte, die den Weg nach Europa gefunden hatten, wurden zu exquisiten Sammelstücken, auch für Künstler wie Monet, van Gogh, Rodin und Bonnard. Für das westliche Auge mit der Sensibilität der künstlerischen Avantgarde war da vieles so beeindruckend, dass die Künstler darauf in ihrer eigenen Kunst eingingen. Dass dabei zwischen der zitierenden Übernahme des Motivs, dem Einfluss auf die Bildkonzeption und der Verinnerlichung zu unterscheiden ist, verdeutlicht nun die Essener Ausstellung. Sie konzentriert sich auf die Zeit von 1860 bis 1910 und besonders auf die Impressionisten und die Nabis. Die Beispiele der japanischen Kunst beinhalten die Folgen von Farbholzschnitten von Utagawa Hiroshige und von Katsushika Hokusai mit der berühmten „großen Welle“ aus der Serie der „36 Ansichten des Berges Fuji“ (1830-31). Diese Darstellungen des Fuji könnten Paul Cézanne bei seinen Malereien zum Berg Sainte-Victoire beeinflusst haben, immerhin hat er die Farbholzschnitte gekannt. Cézanne wendet hier wesentliche Prinzipien aus der japanischen Bildanlage an. Er zeigt den Berg von erhöhtem Blickpunkt aus der Ferne. Statt einer Perspektive trennt er den Vordergrund durch Büsche und Bäume ab. Die Farbabstufungen erzeugen einen vibrierenden, atmosphärisch erfüllten Bildraum: So entsteht eine intensive Gestimmtheit und Unmittelbarkeit der Landschaft.
Ein anderer Fall ist Claude Monet. Dieser vertiefte sich in die japanische Kunst, indem er auf seinem Grundstück in Giverny einen dem entsprechenden Garten anlegen ließ – Grundlage für seine berühmten Seerosen-Bilder, von denen mehrere in Essen zu sehen sind. Großartig ist auch Vincent van Goghs „Japonaise“, bei der er die Darstellung einer Kurtisane aus einem Holzschnitt von Keisai Eisen direkt in eine farbintensive pulsierende Malerei übertrug, in einem zentralen Feld über dem Bildgrund, in dem er weitere japanische Motive zusammenfasst – mithin ist dies eine Hommage an die japanische Kultur.
Über das anregende Thema der Einflüsse der japanischen Kultur auf die Malerei in Frankreich hinaus gibt es aber noch einen weiteren Grund für diese Ausstellung im Museum Folkwang: Die japanischen Objekte wurden auch hierzulande gesammelt, und einer ihrer wichtigen Sammler war Karl Ernst Osthaus in Hagen. 1922 hat Osthaus diesen Bereich nach Essen überführt. Einzelne Aspekte daraus waren bereits ausgestellt, nun sehen wir weiteres. Also eine Ausstellung zur Geschichte der westlichen Bilder und zur Geschichte der Folkwang-Sammlung, und das mit Meisterwerken aus den so verschiedenen Kulturen.
„Monet, Gauguin, van Gogh … Inspiration Japan“ | bis 18.1.15 | Museum Folkwang Essen | 0201 884 50 00
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