Mariens Muttermilch benetzte die Lippen des heiligen Bernhard, natürlich nur in einer seiner Marienvisionen. Daraus erwuchs seine vielgepriesene Eloquenz, die er auch dazu nutzte, Adelige zum Kreuzzug zu überreden. Er war bekennender Fan der Tempelritter und der Sündenvergebung als Belohnung für eine religiöse Kriegsteilnahme. Seine geläufige Zunge und sein Fleiß erhoben ihn zum Patron der Prediger und der Imker, wir gedenken seiner am 20. August.
Als dieser berühmteste Gast Bernhard von Clairvaux, damals Zisterzienserabt, 1147 die Abtei Brauweiler besucht, wird sie (parallel zur Kölner Kirche St. Maria im Kapitol) gerade aufwendig erneuert – dieser Bau besteht bis heute. Knapp 1000 Jahre liegt die Gründung des ersten Klosters auf dem Hofgut Brauweiler zurück, ein Auf und Ab schreibt seine Geschichte: Selbst „Der Alte“ Konrad Adenauer saß hier zwei Monate hinter Gittern – als Gast der Gestapo Köln. Heute dienen die Gebäude als Dienstsitz von Kulturstellen des Landschaftsverbandes: Seit vielen Jahren wird hier Kultur großgeschrieben.
Entsprechend ihrer neuen Funktion bestechen die Anlagen heute in ihrem herrlichen Zustand, aber immer noch die alten Zeiten atmend, besonders im historischen Konzertsaal, im Marienhof und natürlich in der Abteikirche.
In letzterer startet das alljährlich im Sommer kurz nach „Bernhard“ stattfindende Musikfestival classic nights mit einer rasanten Orgelnacht, die besondere Begegnungen mit drei Organisten herbeiführen möchte. Diesmal überschrieben die Veranstalter die ungewöhnliche Show im Kirchenschiff „Pipes and Dance“. Nur beim Orgelvirtuosen Sergej Tcherepanow drücken allein die Finger ein Ballett in die Tasten. Sein Stündchen an diesem Abend mit Werken von Bach bis Bossa und Afro-Cuban nennt der Russe „Die Orgel tanzt anders“ – anders als die anderen Acts mit Sicherheit.
Denn Serge Schoonbroodt, ein belgischer Künstler, hat nicht zum ersten Mal vier Hip-Hop-Tänzer eingeladen, seine Orgeltöne in sinnvolle Bewegungen dieser Straßenkunst zu übersetzen. Der Organist liebt das Experiment und informelles Neuland, immer wachsam, welch kreative Schübe seine klassischen Orgelwerke in den Künstlern anderer Disziplinen auslösen. Dazu zählt auch ein Programm mit Zirkusartisten.
Holger Gehring, Organist der Kreuzkirche in Dresden, bestreitet die dritte Orgel-Stunde mit der ebenfalls aus Elbflorenz stammenden Sabine Jordan. Die temperamentvolle, auch im Flamenco-Tanz kundige Tänzerin transferiert die Orgelpfeifenklänge in einen kunstvollen Ausdruckstanz, der bei verschiedenen Gelegenheiten für Begeisterung sorgte. Dieses außergewöhnliche Programm für Orgelfreunde tischt ein Menu Surprise nicht nur für Feinschmecker auf.
Auch die folgenden Aktionen, alle bei gutem Wetter open air im Marienhof, beschäftigen sich sinfonisch (u.a. Musik von Dvorák mit tschechischem Orchester), chorisch (u.a. Carmina Burana) oder mit einer Combo für den Tango Nuevo mit tänzerischem Impetus – Tanz in historischem Ambiente.
Orgelnacht „Pipes and Dance“ | Do 31.8. 19.30 Uhr | Abtei Brauweiler, Pulheim | www.abtei-brauweiler.de
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