Es ist die Crux historisch und kulturgeschichtlich motivierter Ausstellungsprojekte: Die „reine“ Kunst wird primär als Illustration verstanden. Ein wenig kennzeichnet dies auch die Schau zu Napoleon Bonaparte in der Kunstund Ausstellungshalle in Bonn. Napoleon Bonaparte, der 1769 auf Korsika geboren wurde und 1821 in der Verbannung auf St. Helena gestorben ist, ist durch seine Feldzüge, welche die Grenzen innerhalb Europas neu gezogen haben, seinen kometenhaften Aufstieg und seine Erscheinung noch heute im Bewusstsein.
Die Bonner Ausstellung geht zugleich dem öffentlichen Bild von Napoleon nach, der staatsmännischen Propaganda in der Erzeugung von Verklärung und Legende. In einer Art Geschichtsstunde sind die unterschiedlichen Facetten von Napoleon angesprochen, anhand von Kleidungsstücken, Kronen und Modellen, aber auch Karikaturen. Und dann gibt es eben die Kunstwerke, die mal fiktional, mal real und oft als Auftragskunst Napoleon und seinen Taten zuwenden. Dazu gehören Ingres‘ kolossales Gemälde „Napoleon als thronender Jupiter“ (1806) und Antonio Canovas „Napoleon als friedensbringender Mars“ (1803-06) – wobei Napoleon über die Nacktheit des Gipsmodells derart erschrocken gewesen sein muss, dass er den Körper verhüllen ließ. Nur die Büste gab der Kaiser frei: zur Vervielfältigung in Marmor. So war das mit der Kunst am Hof.
"Meister der prunkvollen Inszenierung"
Gar nicht so weit entfernt, nämlich im Wallraf-Richartz-Museum in Köln ist derzeit ein anderes, wortwörtlich verwandtes, allerdings angezogenes ganzfiguriges Porträt zu sehen, „Napoleon III.“, gemalt 1865 von Alexandre Cabanel (1823-1889). Es gehört zu den wichtigsten Aufträgen dieses Salonmalers, der mit seinen Bildnissen in der Pariser Gesellschaft, aber auch in den Vereinigten Staaten gefragt war.
Das Beharren auf den akademischen Traditionen der Malkunst und das Erfüllen von Aufträgen mögen indes wesentliche Gründe dafür sein, dass Cabanel über Frankreich und seine amerikanischen Sammlerkreise hinaus nie weiter bekannt wurde, bis heute. So gesehen ist die Retrospektive im Wallraf-Richartz-Museum eine Entdeckung. Sinnvoller Weise bedenkt sie alle Werkphasen und vermittelt so den Weg hin zur „theatralischen“ Historienmalerei des Spätwerks.
Ausgestellt ist auch Cabanels Hauptwerk „Die Geburt der Venus“ (1863), das zwischen lasziv und künstlich interpretiert wird. Dass all das aber im rechten Licht vermittelt wird, ist das Verdienst der ebenso prächtigen wie dezenten Ausstellungsarchitektur, welche der Modeschöpfer Christian Lacroix entwickelt hat. Lacroix, der aktuell auch das Bühnenbild zur Aida an der Kölner Oper entworfen hat, stammt wie Alexandre Cabanel aus Montpellier und ist ein Bewunderer von dessen Malerei. Also, die Meister der prunkvollen Inszenierung finden hier zusammen!
Napoleon und Europa – Traum und Trauma
bis 25. April in der Bundeskunsthalle Bonn I www.bundeskunsthalle.de
Alexandre Cabanel – Die Tradition des Schönen I bis 15. Mai im Wallraf-
Richartz-Museum & Fondation in Köln I www.wallraf.museum.de
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